Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition)
Finanzierungsgesellschaft große Vorwürfe, oder sollte ich vielmehr Ihren Finanzierungsgesellschaften sagen?«, fragte er. Sie gab ihrem Pferd plötzlich die Sporen, sprengte ein Stück voraus und riss die Stute herum, so dass sie ihm gegenüberstand.
»Wenn diese Leute glauben, wir hätten sie betrogen, können sie uns ja verklagen«, sagte sie mit feurigem Blick und richtete sich in den Steigbügeln auf. »Versucht haben sie’s, mussten sich aber von allen Anwälten, die sie konsultiert haben, eines Besseren belehren lassen. Ich weiß davon, weil ich eine eidesstattliche Erklärung unterschrieben habe, in der festgehalten wurde, was tatsächlich passiert ist. Wir haben Tag und Nacht gearbeitet, um alle Vereinbarungen zu erfüllen, und wenn dieser verflixte Bürgermeister von Thivion für den Kredit gebürgt hätte, der notwendig wurde, wäre alles nach Plan gelaufen.«
Bruno hatte sie noch nie so aufgebracht erlebt. Ihr Gesicht, das sie sonst so gut unter Kontrolle hatte, war gerötet und verzerrt, ihre Verärgerung so heftig, dass die Stute unter ihr scheute. Um sie zu beruhigen, musste sie sie im Kreis bewegen und ihr den Hals tätscheln. Hector, selbst ein wenig verunsichert, wich ein Stück zurück.
»Diese Vorwürfe gegen uns, gegen mich sind unberechtigt«, fuhr sie ruhiger, aber immer noch gereizt fort. »Von Betrug kann keine Rede sein, ebenso wenig im Zusammenhang mit unserem Vorhaben hier in Saint-Denis, der Heimat der Großmutter des Grafen. Es ist doch absurd zu glauben, dass wir der Stadt in nächster Nachbarschaft ihres Châteaus Schaden zufügen wollen.«
Was sie sagte, klang plausibel. Außerdem wusste Bruno, dass die Gerichte mit Regressklagen wegen Geschäften überlastet waren, die aufgrund der Rezession geplatzt waren, und dass fast alle diese Klagen abgelehnt oder ohne Gerichtsverfahren geschlichtet wurden.
»Es gibt eine einfache Lösung«, sagte Bruno. »Wenn die Finanzierung gesichert ist, könnte das Geld treuhänderisch verwaltet werden, damit wir wissen, dass es tatsächlich da ist.«
»So funktioniert das nicht«, erwiderte sie. »Wir haben schriftliche Finanzierungszusagen, aber das Geld fließt erst, wenn die Bauarbeiten beginnen.«
»In diesem Fall wird mein Bürgermeister höchstwahrscheinlich zusätzliche Sicherheiten verlangen, bevor er Geld aus dem Stadtsäckel für die Vorbereitungsarbeiten lockermacht. Wie wär’s mit der auberge bei Saint-Philippon? So weit ich weiß, gehört sie dem Grafen.«
»Die gehört einer anderen Gesellschaft«, antwortete sie kühl.
»In Thivion waren auch jede Menge Unternehmen aktiv, je nach Bedarf. Genau das hat uns ja stutzig gemacht«, sagte er. »Und vom dortigen Bürgermeister weiß ich, dass, sooft er sich an eine Ihrer Gesellschaften gewandt hat, eine andere auf den Plan getreten ist.«
»Das ist übliche Praxis bei Bauvorhaben«, erklärte sie. »Die eine Gesellschaft ist für die Planung und Finanzierung zuständig, eine andere beaufsichtigt die Bauarbeiten, eine dritte kümmert sich ums Management.«
»In Thivion und generell in unserer Gegend ist so etwas nicht üblich.«
»Unterstellen Sie uns etwa betrügerische Absichten? Wissen Sie, dass wir Ihrem Bürgermeister eine Sporthalle versprochen haben? Was meinen Sie, wie teuer allein die Baupläne waren?«
Bruno zuckte nur mit den Achseln.
»Warum schickt der Bürgermeister Sie vor?«, fragte sie. »Sie sagten mir doch, Sie hätten in dieser Sache keine Befugnisse.«
»So ist es auch. Der Bürgermeister schickt mich nicht vor«, antwortete Bruno. »Ich teile Ihnen lediglich mit, dass sich unsere Stadt Sorgen macht. Es freut mich, dass der Graf in unserer Stadt eine Sporthalle bauen will. Dafür sammle ich schon seit Jahren Geld.«
»Ich werde mir Ihre Worte durch den Kopf gehen lassen und mich mit meinen Partnern beraten«, sagte sie.
»Sie sind eine sehr ungewöhnliche Krankenschwester.«
»Und Sie ein ungewöhnlicher Polizist«, gab sie zurück, wendete ihre Stute und ritt davon.
Bruno schaute ihr noch eine Weile nach. Hector scharrte mit den Hufen, und die beiden Stuten beäugten den chef de police ungeduldig, doch dieser schaute auf seine Brust.
»Kängurumutter«, murmelte er vor sich hin. Durchaus treffend, dachte er amüsiert und lenkte Hector zurück auf den Pfad, der zu Pamelas Anwesen führte.
Eine Stunde später stand er in seiner Küche und nahm das Huhn aus, das er auf dem Markt gekauft hatte. Die Kartoffeln waren schon geschält, der Knoblauch gehackt.
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