Femme Fatales
einmal Ich gewesen war, und sah auf es herab.
„ Das tut weh, oder kleine Nonne? Aber Du wirst nicht sterben davon. Das wäre zu einfach, das siehst Du ein, oder?“
Der Wolf wies zur Decke.
„Ein paar Stockwerke über uns ist eine Quarantänestation. Sicherheitsstufe Fünf: Ebola, Marburg, Pest. Wenn dort einer abkratzt, tüten sie ihn ein und verbrennen ihn gleich hier. Medizinischer Sondermüll. Deine Chancen stehen gut, dass Du bei Bewusstsein bist, wenn sie in zwei Stunden Deinen Bodybag in den Ofen schieben. Und wenn es soweit ist, werde ich ganz fest an Dich denken. Versprochen.“
Der Schmerz kam zurück. Mein schwebendes Ich stürzte herab und verschmolz wieder mit diesem zitternden nutzlosen Körper am Boden.
Die Gorillas schoben eine Liege heran. Ein Plastiksack lag darauf. Ich konnte das schwarz gelbe Biohazard-Warnzeichen darauf erkennen und sah, dass an dem Zipper eine Art Label befestigt war.
Der Wolf rollte langsam davon , während die Gorillas mir die Handschellen abnehmen und mich eintüteten. Handschellen brennen nicht so gut, nahm ich an. Deswegen nahmen sie die mit.
Red Riding Hood starb. Sie starb, wie der Wolf es sich erhofft hatte - allein und im Plastikdunkeln.
Sie starb an Angst .
Epilog.
Vier Monate später.
Das Bike rast die Champs - Élysées herunter. Der Beifahrer wirft dem Wolf sein Päckchen in den Schoss.
Das Bike rast an der Limousine vorbei und verschwindet.
Der Wolf steht in Flammen.
Er schreit.
Er wirft die Arme hoch.
Er schreit. Immer noch. Und – lauter.
Sein Gesicht schmilzt .
Die Gorillas versuchen ih n mit dem Feuerlöscher der Limousine zu retten. Aber das Napalm aus dem Päckchen ist damit nicht zu löschen.
Der Wolf verbrennt.
Das Bike rast Richtung Charles de Gaulle. Es hält auf einem Parkplatz vor dem Terminal. Der Beifahrer steigt ab und geht in den Terminal. Das Bike fährt wieder ab.
Der Biker im Terminal denkt nicht daran, seinen Helm abzusetzen. Er geht in seiner Bikerkluft auf Toiletten und Waschräume zu. Pikierte Blicke, als er das Damenklo betritt. Getuschel und Aufregung, als er dann eine der Kabinen betritt.
Das Getuschel stirbt ab, sowie später statt des Mannes, eine Frau mit dunklem Haar und rotem Kleid aus der Kabine tritt und auf ihren High-Heels zum Ausgang tackert.
Sie weist am Check-In ihren Pass vor. Kein er hält sie auf, als sie die Sicherheitsschleuse passiert. Ihre schwarzen Haare sind gefärbt. Eigentlich ist das einzig echte an ihr dieses rote Kleid mit der Kapuze daran. Kein Mensch außer ihr trägt in dieser Saison Kleider, wie das.
Früher war diese Frau einmal Cruzot Belcourt, Aschenputtel und Little Red Riding Hood. Dann wurde sie vom Wolf gefressen. Jetzt steht in ihrem Pass Marie-Claire Harper und außer ihrem Kleid, ist da noch etwas, das sie von den anderen Passagieren hier unterscheidet: Sie ist eine Mörderin.
* * *
Ich öffne meine Augen und sehe mich gespiegelt im Schaufenster eines Dutyfreeshops.
Marie-Claire Harper.
Ich bin nicht sicher, ob ich mag, was ich da sehe. Aber ich weiß, was ich bin.
Und ich weiß, wie ich dazu wurde.
Ich schließe meine Augen und gehe zurück in die Dunkelheit.
Ich fühle wieder den Schmerz.
Die rote Angst hält mich in ihren harten Armen. Eine böse Mutter, die ihr Kind um keinen Preis freigeben will.
Aus der Du nkelheit leuchten Bilder auf.
* * *
Da sind die beiden Gorillas, die den schwarzen Plastiksack mit dem Biohazard-Symbol auf diesen Wagen hoben, und ihn einen langen Flur herab schieben, bis sie vor einer breiten Metalltür halten.
Da stehen noch weitere solcher Wagen. Zwei oder drei mit Plastiksäcken wie diesem. Andere sind gefüllt mit kleinen Metallcontainern. In den Metallcontainern sind Arme, Hände, Beine, Tumore, Finger, Brüste – das, was die Chirurgen abschnitten und ausschälten. In einem auch Föten.
Red Riding Hood hat ihre Augen geschlossen und das bisschen, was von ihrem Verstand jetzt noch übrig ist, betet zu jedem Gott, der ihr vielleicht zuhören mag, darum, dass er sie endlich hier in diesem Plastiksack sterben lässt.
Doch sie stirbt nicht.
Sie weiß nicht , wie lange sie dort liegt und auf den Tod wartet, der nicht kommen will.
Irgendwann geht der Schmerz in ihrer Brust zurück. Sie glaubt Stimmen zu hören. Und Geräusche.
Sie fällt zurück in ihre rote Angst, jedes Mal wenn ein Stoss den Wagen trifft, oder das Quietschen von kleinen Rädern ertönt, die über den Boden
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