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Fenster zum Zoo

Fenster zum Zoo

Titel: Fenster zum Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
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Vikunjas, Kasuare und Bantengs, was immer Sie wollen, sein Wissen ist erstaunlich. Er hat Vorlesungen angesehener Professoren an der University of Kansas, dem National Zoological Park of Virginia und der Zoological Society of London gehört. Sein Vater hat ihm kostspielige Studienreisen in die Abruzzen, die Karpaten und in die Pyrenäen spendiert, wo die letzten isolierten Bärenpopulationen leben. Er hat auch Nordamerika, Afrika und Asien bereist«, erklärte Professor Nogge nicht ohne Stolz, »er ist ein Einser-Kandidat.«
    »Das mag sein.«
    »Er ist außerdem der Sohn eines renommierten Studienkollegen.«
    »Aha, daher weht der Wind.«
    Der Zoodirektor sah ihn erstaunt an, zog eine Augenbraue fragend in die Höhe und sagte dann: »Sein Vater ist ein netter Kerl.«
    »Der Sohn nicht unbedingt.«
    »Ich drücke bei seinem Sohn ein Auge zu.«
    »Das ist sehr großzügig von Ihnen.«
    »Er hat das Zeug zu einem hervorragenden Zoologen. Ich investiere also in die Zukunft. Und, unter uns, Herr Kommissar, ich denke mir ab und zu ein paar möglichst unappetitliche Arbeiten für ihn aus. Vielleicht bringt ihn das auf den Boden der Tatsachen. Ich wusste nicht, was ich mir mit ihm einhandele. Aber er wird schon merken, dass er lange und völlig umsonst auf einen Bonus als Sohn eines berühmten Zoologen warten muss.«
    »Dann haben Sie ihn also im Griff?«
    »Aber sicher.«
    »Wie lange geben Sie ihm? Vierzehn Tage?«
    »Nein. Eine Woche. Wir brauchen hier keine Leute, die Reden schwingen, sondern Leute, die anpacken. Wenn er sich nicht integrieren kann, muss er sich woanders umschauen.«
    Muschalik war beruhigt, in einer Woche würde es den Fall Jartmann nicht mehr geben – so oder so, und er verabschiedete sich.

6. Kapitel
    Vor Muschalik lag ein Wochenende ohne Zoo und ohne Zwillinge. Als Pensionär konnte er es sich leisten, den Besucherströmen und Veranstaltungen an den Samstagen und Sonntagen aus dem Weg zu gehen, wenn jede Bank besetzt und jedes Gehege umlagert war. Und die Zwillinge sollten das Wochenende bei Rosa in Wiesbaden verbringen.
    Den Samstagmorgen widmete er zunächst der gründlichen Hausarbeit, womit er den ganzen Tag über genügend Beschäftigung hatte. Aber schon nach dem Frühstück am Sonntagmorgen wusste er nichts Rechtes mehr mit sich anzufangen. Bereits um zehn Uhr fand er sich in seinem guten Anzug an der Bärenanlage ein. Und Nelly war da. Sie stand oben auf der Bruchsteinmauer und warf dem Grizzly Äpfel zu.
    Nach ein paar Minuten kam sie zu ihm, wirkte zwar beunruhigt, stellte aber zum Glück keine unbequemen Fragen nach den Gründen seiner Beharrlichkeit. Muschalik begann mit seiner Einladung, für die er auch eine Erklärung hatte.
    »Sie als Imi … ich meine, Sie als Neu-Kölnerin haben sicher noch nicht viel von der Stadt gesehen.«
    »Ich habe genug gesehen«, sagte sie abweisend.
    »Man kann nie genug von Köln sehen«, erwiderte er, »falls Sie heute Nachmittag frei haben, dachte ich, Sie hätten vielleicht Lust auf einen Spaziergang und einen Kaffee. Es soll heute nicht regnen, das wäre doch eine gute Gelegenheit.«
    Sie ließ sich Zeit mit einer Antwort.
    »Ja«, sagte sie endlich leise, als Muschalik sich schon fast mit einer Abfuhr abgefunden hatte.
    »Wunderbar«, er rieb sich erleichtert die Hände, »wann haben Sie frei?«
    »Um zwölf Uhr.«
    »Ich warte am Haupteingang.«
    * * *
    Sie waren ein ungleiches Paar: Der ältere, kleine, elegante Herr mit der karierten Schirmmütze, der aussah wie ein Pensionär, und die große, stämmige Frau, die neben ihm her schritt und über seinen Kopf mit strengem Blick hinweg Menschen und Dinge musterte, als sähe sie sie zum ersten Mal. Sie trug einen verschlissenen, knallroten Sommermantel, der eine Handbreit über ihrem Knie endete, und darunter dunkelblaue Stoffhosen mit einer Bügelfalte. Ihre Schuhe waren breit und sahen bequem aus. Ihr langes, hellbraunes Haar war wie immer mit einem Gummiband im Nacken zusammengebunden.
    Sie sprachen nicht miteinander.
    Muschalik steuerte auf die Rhein-Seilbahn zu und kaufte zwei Karten. Nelly stieg ohne Kommentar in eine rote Kabine mit der Nummer 7 und Muschalik setzte sich ihr gegenüber. Die Fahrt ging mit einigem Ruckeln los, und er dachte, er sollte Köln erklären. Er sprach von den Brücken, dem Panorama der Kirchen und Hochhäuser, aber er hatte das Gefühl, sie hörte nicht zu.
    »Sehen Sie dort drüben die Wiese?«, fragte er schließlich und zeigte auf das Niederländer Ufer hinter

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