Fenster zum Zoo
Rundgang und eilte mit schnellen Schritten in Richtung Ausgang, als er leise Stimmen hörte. Er blieb stehen. Auf dem Wirtschaftsweg, halb versteckt durch Büsche, entdeckte er drei Männer, die die Köpfe zusammensteckten. Zuerst konnte er nicht verstehen, was sie sagten. Er trat näher und hielt sein gutes, sein rechtes Ohr in ihre Richtung.
»… in Duisburg.« Das war Jartmanns Stimme. »Irgendetwas ist immer dran.«
»Ich weiß nicht«, sagte ein anderer zögernd.
»Doch, doch. Sie haben es mir selbst erzählt.«
»Ich weiß nicht.«
Eine dunkelblaue Pudelmütze wippte auf und ab.
»Es ist nicht zu fassen. Mattis habe ich es auch schon gesagt, aber er wollte auch nichts davon hören. Ist euch denn alles egal?«
»Wenn man doch nichts Genaues weiß.«
»Das ist ja eine ganz billige Masche. Hast du was gegen sie?«
»Nein. Blödsinn. Nur wenn es wahr ist, muss es doch endlich herauskommen.«
»Beschwer dich doch beim König.«
»Was für ein König?«, war die fassungslose Frage.
»Eben.« Die beiden anderen lachten Jartmann aus. Im Gespräch näherten sich die drei dem Hauptweg, und Muschalik sah zu, dass er verschwand. Der nasse Einkaufsbeutel schlug gegen seine Beine. Jartmann hatte von Duisburg gesprochen, Nelly kam aus Duisburg, überlegte Muschalik fieberhaft, es war um Nelly gegangen. Der Frieden im Zoo schien endgültig dahin.
* * *
In seiner Küche erhitzte er voller Unruhe fünfzig Gramm Speck, legte das Fleisch in den Topf und ließ es von allen Seiten gut bräunen. Er schnitt eine große Zwiebel vorschriftsmäßig in kleine Würfel und warf sie dazu. Und schon begann die Schmorzeit, während der Muschalik nervös im Kochbuch blätterte. Zum Schluss schmeckte er mit Paprika, Salz und Madeira ab. Er probierte, es schmeckte tatsächlich nach Gulasch. Aber kein bisschen nach Madeira. Er goss nach. Dann nahm er den Topf von der Herdplatte und dachte an Nelly.
Kurz vor 18 Uhr kochte er ein halbes Pfund Bandnudeln als Beilage. Um 18 Uhr und 20 Minuten war der Tisch gedeckt, und Muschalik stand am verregneten Wohnzimmerfenster. Pünktlich um 18 Uhr 30 sah er Nellys knallroten Sommermantel in die Florastraße einbiegen. Sie trug keinen Schirm. Er wusste, dass sie sehr schnell gehen konnte. Und er wollte nicht, dass sie ihn am Fenster stehen sah. Er trat zurück, ging in die Küche und öffnete einen Pinot Grigio von 1998. Der Korken brach auf halber Strecke, mühsam zog er die Reste heraus. Er sah immerzu von der Küche aus zum Wohnzimmerfenster. Die Gardine, hinter der er gestanden hatte, bewegte sich leicht, sie war noch nicht zur Ruhe gekommen. Er stand da mit dem Korkenzieher in der Hand und wartete. Seinen Berechnungen zufolge musste es jeden Augenblick klingeln. Schließlich ging er Richtung Wohnungstür, um sofort den Türdrücker betätigen zu können.
Es hätte längst klingeln müssen.
Vorsichtig sah er noch einmal durch die Gardine aus dem Fenster hinunter auf den Bürgersteig. Den Hauseingang konnte er nicht sehen, weil ein viereckiges Betondach darüber angebracht war.
Er öffnete seine Wohnungstür, sah die Treppen hinunter, probierte seine Klingel aus. Eine letzte Möglichkeit war eine defekte Klingel unten am Hauseingang. Er lief die drei Stockwerke hinunter, öffnete die Haustür und sah hinaus, sah links und rechts die Florastraße entlang, in der Pfützen wie Seen standen.
Nelly war nicht zu sehen, und seine Klingel war in Ordnung.
Sie hatte ihn versetzt.
Und in St. Hildegardis läuteten höhnisch die Glocken.
Muschalik aß zwei Teller Gulasch mit Bandnudeln und trank den restlichen Madeira. Und er leerte den Pinot Grigio von 1998. Danach war ihm schlecht.
8. Kapitel
Gestern hätte sie immer weiter gehen können. Sie hatte keine Müdigkeit gespürt und sich leicht gefühlt.
Die Seilbahn und das gegenüberliegende Ufer hatten sie schon lange gelockt, vor allem die Brücken. Vom Ufer aus hatte sie sie gesehen und sich vorgestellt, wie es wäre, über dem Rhein zu schweben, über die Brücken zu gehen. Hoch über allem. Aber allein wäre sie dort nicht hingegangen. Es war viel zu weit weg vom Zoo.
Ob er bemerkt hatte, dass sie Angst gehabt hatte? Sie hatte nicht gewusst, wie es ist, keinen Boden unter den Füßen zu haben. Keinen festen Boden. Und so hoch über dem Wasser zu sein, dass man das Gefühl hatte zu fliegen. Sie hatte keine Angst gehabt ins Wasser zu fallen. Wasser machte ihr keine Angst. Sie hatte Angst gehabt sich dort oben zu verlieren.
Sie war zu schnell
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