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Fenster zum Zoo

Fenster zum Zoo

Titel: Fenster zum Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
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Frau ihn verlassen hatte, als Hausmann nicht gerade mit Ruhm bekleckert hatte. Seine polizeilichen Ermittlungen hatten ihn immer zu seltsamen Machenschaften getrieben. Aber noch nie wollte er Honig in einen Kinderball füllen. Sie machte auf dem Absatz kehrt. Nach ein paar Minuten kam sie mit einer Spritze ohne Nadel zurück, mit der sie ihrem Kater in regelmäßigen Abständen Wurmpaste einzuflößen hatte. Als sie sein entsetztes Gesicht sah, erklärte sie es ihm:
    »Köbes würde die Wurmpaste nie freiwillig fressen.«
    »Das kann ich gut verstehen.«
    »Auch dann nicht, wenn ich sie unter sein Futter mische, er ist ein ganz Schlauer. Ich muss seine Schnauze mit Gewalt öffnen und ihm das Zeugs direkt in den Schlund spritzen, sodass er es nicht wieder ausspucken kann.«
    »Das ist Zwangsernährung, Frau Kruse«, sagte Muschalik.
    »Zwanzig Milliliter sind keine Zwangsernährung, Herr Muschalik«, verbesserte sie ihn.
    Er hätte nie gedacht, dass Frau Kruse, die gute Seele, so brutal sein könne. Kein Wunder, dass Köbes misstrauisch geworden war. Er nahm sich vor, Kraft darauf hinzuweisen, dass sie den Kindern eventuell Dinge einflößen könnte, die sie nicht mochten. Frau Kruse zog fachmännisch die Spritze mit der zähen Masse auf und begann ihr Werk an dem rot gepunkteten Ball zu verrichten. Ab und zu spülte sie die Spritze mit warmem Wasser aus, was dem Honig eine flüssigere Konsistenz verschaffte. Sie war ein Profi, und Muschalik dachte an den armen Köbes.
    »Eigentlich wollte ich Ihnen nur sagen, dass ich die Kinder am 13. August auf keinen Fall hüten kann«, sagte Frau Kruse, als der Ball halb gefüllt war und die drei Honiggläser leer waren. Der Ball war schwer geworden und waberte in ihrer Hand.
    »Das macht doch nichts, Frau Kruse.«
    »Ich bekomme dann nämlich Besuch. Meine Schwester kommt.«
    »Das ist schön für Sie«, sagte Muschalik. Frau Kruse hatte noch nie Besuch bekommen, soweit er sich erinnern konnte.
    »Woher wissen Sie das?«
    »Ich dachte, es würde Sie freuen.«
    »Nein. Das tut es nicht.«
    »Verstehen Sie sich nicht gut mit Ihrer Schwester?«
    »Doch. Es liegt nicht an meiner Schwester.«
    Frau Kruse wollte, dass er weiterfragte.
    »An wem denn?«
    »Sie hat einen Hund.«
    »Den Köbes wahrscheinlich nicht ausstehen kann.«
    »Umgekehrt.«
    »Der Hund mag den Kater nicht.«
    »Nein. Ich mag den Hund nicht.«
    Zum Schluss wollte Frau Kruse aber doch wissen, wozu der honiggefüllte Kinderball gut wäre. Muschalik bedauerte, ihr das nicht erklären zu dürfen, da es sich um einen nicht abgeschlossenen Fall handelte. »Nur so viel kann ich Ihnen sagen«, begann er geheimnisvoll, »er ist für einen Bären. Für einen Grizzly.«
    »Für den, der die Menschen auf dem Gewissen hat?«
    Wie konnte er nur geglaubt haben, Frau Kruse sei nicht auf dem neuesten Stand der Dinge.
    »Ja.«
    »Und zur Belohnung geben Sie ihm Honig?«, fragte sie entsetzt.
    »Nein. Der Honig ist ein Lockmittel. Mehr darf ich aber wirklich nicht sagen.«
    Frau Kruse zog ihre Stirn in Falten. Muschalik spielte mit dem Gedanken, sie endlich zu fragen, wie man Löcher flickt. Die olivefarbene Cordhose mit den beiden Löchern über den ausgebeulten Knien fehlte ihm. Er hatte sie immer gern getragen, sie war weit und bequem und seine Lieblingshose. Aber er wollte ihr jetzt noch nicht Rede und Antwort über die Herkunft der Löcher stehen müssen.
    »Nie kann ich mich revanchieren«, sagte er stattdessen, »nicht einmal fürs Kinderhüten. Und das ist längst überfällig.«
    »Doch, das könnten Sie«, erwiderte Frau Kruse prompt und klimperte mit den Wohnungsschlüsseln in der Hand.
    »Sagen Sie es mir?«
    »Wenn meine Schwester und der Hund da sind, könnten Sie bei mir klingeln und sagen, Hunde wären in diesem Haus nicht gestattet.«
    »Aber sie sind es.«
    »Sie werden merken, wenn er kommt. Er bellt in einem fort«, überging Frau Kruse seine Bedenken, »und Sie sind ja schließlich immer noch ein Kommissar, nicht wahr? Könnten Sie nicht in einer Uniform kommen?«
    »Ich habe nur eine Mütze.«
    »Kommen Sie in der Mütze.«
    Das Telefon klingelte, Frau Kruse erschrak und lief schnell in ihre Wohnung. Sie drehte den Schlüssel zweimal um.
    Lise Becker meldete sich aufgeregt am anderen Ende der Leitung. »Kannst du mal ins Präsidium kommen? Ich habe hier eine Frau Hering sitzen. Ihr Freund ist LKW-Fahrer. Er hat den Bären gefahren!«
    »Und Kraft?«
    »Der ist schon hier.«
    * * *
    Lise Becker zeigte stolz aufs

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