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Fenster zum Zoo

Fenster zum Zoo

Titel: Fenster zum Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
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ihren alten Job und kommt nach Köln. Das ist schon am Montag.«
    »Wie hast du das geschafft? Hast du ihr gesagt, dass du sie liebst?«
    »Psst.«
    Sie trennten sich, als Kraft der Rücken schmerzte und die Beine einschliefen. Muschalik blieb im Götterbaum, und Kraft ging unten Streife und immer in Deckung. Einmal stolperte er über die drei Stufen, die zum Gehege hinunterführten, fiel auf die Knie und fluchte leise.
    Nelly zeigte sich nicht, hatte sich in Luft aufgelöst, schwebte wie ein guter Geist über dem Grizzly. Er allein konnte sie sehen.
    Manchmal ging ein Licht in einem Haus in der Stammheimer Straße an, ansonsten lagen alle Gebäude in der nächsten Nachbarschaft des Zoos im Dunkeln. Nur die Weltkugel des H.A. Schult leuchtete auf dem DEVK-Gebäude in die Nacht.

18. Kapitel
    Der Schäfer gab ihr manchmal etwas zu essen ab. Er sagte, er sei der Sohn des Schäfers. Sein Vater läge krank zu Hause, und er hüte solange für ihn Schafe. Er täte es gern, Schafe zu hüten sei etwas Wunderbares. Wenn sein Vater nicht mehr gesund würde, nie mehr, dann würde er der neue Schäfer sein.
    »Was soll sonst aus den Schafen werden?«
    Gern hätte sie ihm von ihrem Bären erzählt.
    Er las keine Zeitung, er stellte keine Fragen. Er hielt sie für eine Obdachlose, wenn es regnete, durfte sie unter seine Zeltplane kriechen. Die Schafe scharten sich um sie. Sie freundete sich mit seinem Hund an. Wenn er an ihrer Hand schnüffelte, wurde er nervös. Er roch den Bären.
    Aber die Unruhe in ihr verging nicht.
    Zweimal hatte sie abends vor seinem Haus gestanden und geklingelt. Zuerst am Montag. Als sie das Summen des Türöffners hörte, hatte sie schon die Hand an der Klinke, aber sie hatte nicht hineingehen können. Sie hatte auf die Tür gestarrt und sich nicht bewegen können.
    Gestern nacht hatte er nicht geöffnet, dabei hatte sie sich fest vorgenommen, dieses Mal hineinzugehen und nicht wieder wegzulaufen. Vielleicht hatte er es nicht gehört, im Schlaf, vielleicht war er nicht zu Hause gewesen.
    Danach war sie, wie jede Nacht, zum Grizzly gegangen. Und dort hatte sie ihn gesehen. Er saß im Baum direkt vor der Grizzly-Anlage, in einer Astgabel. Aber er war nicht allein. Der andere Polizist war bei ihm, der, mit dem sie noch kein Wort gewechselt hatte.
    Wenn er allein gewesen wäre, wäre sie zu ihm gegangen.
    Als sie vor der Höhlentür stand, entdeckte sie ihr rotes Halstuch, das um die Gitterstäbe gewickelt war. Sie band es los und steckte es ein, sie wollte nichts Rotes tragen, solange man sie suchte. Aber dann dachte sie, es könnte ein Köder sein, und wickelte es wieder um die Gitterstäbe. Danach war sie in die Höhle des Grizzly gekrochen, wie jede Nacht, und hatte dort an seiner Seite endlich Ruhe gefunden und Schlaf.
    Und heute nacht waren die Fotos da. Aber er war wieder nicht allein. Und sie konnte nicht zu ihm gehen. Die Fotos waren kein Köder, er hatte verstanden.
    Wenn sie ihn nur einmal allein antreffen würde.

19. Kapitel
    Am Freitagmorgen quälte sich Muschalik aus dem Bett.
    Seine Augen brannten und er konnte sich kaum auf den Beinen halten. Er stattete zunächst Betty einen kurzen Besuch ab. Danach kaufte er im Supermarkt auf der Neusser Straße drei Gläser Tannenhonig.
    Als er wieder zu Hause war, fiel ihm ein, dass er noch nicht wusste, wie er den Honig ins Bärengehege bekommen sollte. Glas war viel zu gefährlich für den Bären. Wenn er aber den Honig lose ins Gehege laufen ließe, würde er direkt im Wassergraben landen.
    Als er über einen kleinen, rot gepunkteten Ball stolperte, den die Kinder zurückgelassen hatten, bückte er sich, hob ihn auf und drehte ihn hin und her. Er hatte im Spiel fast alle Luft verloren. Muschalik sah das kleine Loch, durch das er aufgepumpt werden konnte, und hatte eine Idee. Er setzte sich an den Küchentisch und versuchte mit einer Gabel das Loch im Ball zu vergrößern. Er stocherte so lange mit dem Zinken in der Öffnung herum, bis das Plastikmaterial an einer Stelle einriss. Nun wollte er mit einem Teelöffel Honig in den Kinderball füllen. Hose, Tisch und Hände klebten, und es war noch kein Gramm in den Ball geflossen, als es an der Tür klingelte. Frau Kruse.
    »Frau Kruse, Sie schickt der Himmel«, sagte Muschalik und streckte ihr den klebrigen Kinderball hilflos entgegen, »ich muss irgendwie Honig in diesen Ball bekommen.«
    Frau Kruse wunderte sich schon lange nicht mehr über das, was bei ihrem Nachbarn vorging, der sich, nachdem seine

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