Ferien Auf Saltkrokan
Arbeit war ihm ein Greuel, obgleich er einen kleinen Bauernhof besaß; den mußte aber zum größten Teil seine Frau besorgen. Es war eine Plackerei, und manchmal murrte sie. Vesterman war auch in schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen, und wenn er in der Klemme saß, ging er zu Nisse Grankvist. Aber in letzter Zeit hatte Nisse ihn abgewiesen. Er wollte jemandem, der nie seine Schulden bezahlte, kein Geld mehr leihen.
Tjorven stand auf dem Anleger, als Vesterman an diesem Morgen von der Schäre heimkehrte. Und sie schrie auf, als er einen kleinen fauchenden Seehund vor sie hinlegte, der sie mit schwarzen, feuchten Augen anschaute und so niedlich war, wie sie noch nie etwas gesehen hatte.
»Oh, ist der aber niedlich«, rief Tjorven. »Darf ich ihn streicheln?«
»Meinetwegen gern«, sagte Vesterman. Und dann sagte er etwas Unglaubliches. »Du kannst ihn behalten, wenn du willst.«
Tjorven starrte ihn an.
»Was sagst du da?«
»Du kannst ihn haben. Natürlich nur, wenn deine Mama und dein Papa es erlauben. Ich bin froh, wenn ich ihn loswerde. Du kannst ihn ja aufziehen und behalten, bis er so groß ist, daß man 'nen Nutzen von ihm hat.«
Tjorven schnappte nach Luft. Vesterman gehörte im allgemeinen nicht zu ihren Lieblingen, aber im Augenblick fühlte sie, daß sie ihn anbetete. »Oh«, machte sie und dachte fieberhaft nach – wie konnte man sich für ein so einzigartiges Geschenk nur bedanken? »Ich stick dir auch etwas in Kreuzstich! Möchtest du das?«
Vesterman verstand nicht, daß Tjorvens Angebot das Gewaltigste war, was sie zustande bringen konnte, und er sagte: »N-ja, ich will nicht behaupten, daß ich unbedingt Sehnsucht danach hab, aber – nimm du den Seehund, man traut sich ohnehin nicht, mit einem jungen Seehund zur Frau nach Haus zu kommen.« Dann ging Vesterman seiner Wege und ließ eine völlig verwirrte Tjorven zurück.
»Bootsmann, das kann nicht wahr sein«, sagte sie. »Wir haben einen Seehund gekriegt!«
Bootsmann schnupperte an dem Seehund. Er hatte noch nie ein Wesen gesehen, das diesem ähnelte; wenn Tjorven es aber durchaus wollte, dann würde er sich auch mit diesem komischen kleinen Vieh anfreunden, das hier lag und ihn anzischte.
»Nein, erschreck ihn nicht«, sagte Tjorven und jagte Bootsmann weg. Dann schrie sie, so laut sie nur konnte: »Kommt mal her! Kommt mal alle her! Das kann ja nicht wahr sein – ich habe einen Seehund gekriegt!«
Pelle kam als erster angelaufen, und er freute sich so sehr, daß er anfing zu zittern, als er den Seehund sah und das Unfaßbare erfuhr: Tjorven hatte dieses phantastische, graugesprenkelte kleine Knäuel geschenkt bekommen, das zischte und schrie und mit knubbeligen, seltsamen kurzen Vorderpfoten auf der Brücke herumkrabbelte. War es wirklich möglich, daß jemand einfach einen Seehund geschenkt bekam?
»Oh, hast du aber Glück«, sagte Pelle aus tiefstem Herzen. Und Tjorven gab ihm recht.
»Ja, es ist nicht zu glauben, ich hab doch andauernd so'n Glück.«
Aber jetzt blieb nichts anderes übrig, als Mama und Papa davon zu überzeugen, wie schön es war, einen Seehund zu haben.
Nach und nach hatten sich alle auf dem Anlegesteg versammelt und betrachteten erstaunt den Seehund.
»Wir können bald einen Tierpark auf Saltkrokan aufmachen«, sagte Melcher. »Ich muß nur mal sehen, ob ich nicht irgendwo noch ein paar billige kleine Flußpferde auftreiben kann.«
Aber Märta hob abwehrend die Hände. Sie wollte keinen Seehund im Haus haben, unter gar keinen Umständen. Nisse hatte ebenfalls Bedenken. Er versuchte Tjorven klarzumachen, welche Mühe sie haben werde, ihn aufzuziehen. Er brauche soviel Milch wie ein Kalb und kiloweise Strömlinge, wenn er erst etwas größer wurde.
»Strömlinge kann er von uns kriegen«, sagte Stina. »Nicht wahr, Großvater?«
Tjorven guckte ihre Eltern vorwurfsvoll an.
»Ich habe ihn doch bekommen «, sagte sie. »Es ist genau, wie wenn man ein Kind bekommt, versteht ihr das nicht?«
Teddy und Freddy gaben ihr recht.
»Und wenn man ein Kind bekommt, dann redet man doch nicht gleich davon, wieviel Milch es braucht und wie schwer es ist, es großzuziehen«, sagte Teddy.
Sie bestürmten Märta mit Bitten. Johann und Niklas und Pelle halfen mit. Sie versprachen, einen Teich für das Seehundjunge zu machen, wo es sich tagsüber aufhalten konnte. In der Felsböschung hinter dem Bootsschuppen war ein tiefer Einschnitt, wenn man den mit frischem Salzwasser füllte, hatte der Seehund das feinste
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