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Ferien mit Patricia

Ferien mit Patricia

Titel: Ferien mit Patricia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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jeden Einsatz gezählt und damit die Tage, die einender Heimat wieder näher brachten. Daß er sich plötzlich nach Kenwoulton zurückwünschte, rührte daher, daß er sich nach allem, was er in den letzten achtundvierzig Stunden erlebt hatte, nach einer Umgebung sehnte, wo er sich ausruhen konnte. Nie hatte er diese trübe, häßliche Fabrikstadt bewußt betrachtet, aber jetzt war seine Erinnerung mit einem Male scharfund klar, und er fühlte sich von einer Welle der Sympathie davongetragen, war es doch der Ort, wo Pat weilte...
    Hier aber sah er niemand, den er kannte, und niemand schien ihn zu kennen. Hier war er einfach ein junger Fliegeroffizier, einer der vielen Soldaten im nachmittäglichen Menschengewühl, und er hatte das Empfinden, als ob er unsichtbar oder überhaupt nicht wirklich hier sei.
    Langsam wandte er sich um und schritt die Straße hinauf, die ihn in wenigen Minuten zur Severn Avenue und damit nach Hause führte. Ein bißchen weiter oben sah er die vertraute Fassade der öffentlichen Bibliothek und daneben die schöne St.-Johns-Episcopal-Kirche. Aus der Bibliothek trat ein Mädchen mit einigen Büchern unter dem Arm. Irgend etwas an ihrem beschwingten Gang und ihre schlanke Gestalt veranlaßten ihn, stehenzubleiben und zu ihr hinzustarren.
    Als ob auch dies ein Teil des Traumes wäre und er plötzlich einen ihm vertrauten Menschen darin erkenne, sagte er zu sich:
    »Das ist ja Catharine!«
    Sogar die merkwürdige Unfähigkeit, sich zu bewegen, war traumhaft, wie die Erinnerung an ein nächtliches Gaukelbild, wenn der Körper mit einem Male schwer und bleiern wird und den Weisungen des Kopfes den Gehorsam versagt. Catharine, schöner denn je, zum Greifen nahe vor seinen Augen! Mit einem sonderbaren Schmerz sah er das Aufblitzen ihres Lächelns, als sie auf dem Weg zu ihrem am Straßenrand stehenden Auto einen Bekannten traf und einen Augenblick mit ihm plauderte. Jerry trat halb in die Tür eines Schreibwarengeschäfts und war überrascht, daß seine Glieder überhaupt noch die Kraft hatten, sich zu bewegen. Aber warum stürzte er denn nicht auf Catharine zu? Er brauchte ja nur ihren Namen zu rufen, einen Gruß, eine kleine Handbewegung, und dann würde sie aufblicken und ihn auf sich zukommen sehen. Alte Gewohnheiten wurden in ihm wach, und Erinnerungen an Tage und Nächte, da er sich nach ihr gesehnt, an sie gedacht hatte, überfielen ihn — und doch blieb er, wo er stand.
    Dann wurde er sich in all seiner inneren Verwirrung auf einmal wieder des Grundes bewußt, warum er eigentlich hier war, und er kam sich vor wie ein Verräter. Plötzlich dachte er an Pat, und er sah sie so lebendig in seinem Innern vor sich, daß er sich einen Augenblick wie ein Verräter beiden gegenüber fühlte.
    Während er so stand, schien die Zeit ausgelöscht zu sein, und es war ihm, als müßte Catharine jede Sekunde seine Gegenwart spüren, als müßte sie plötzlich aufblicken und auf ihn zukommen. Doch nichts geschah. Sie plauderte noch eine Weile und ging dann zu ihrem Wagen, mit den Büchern im Arm. Für sie war Jerry dreitausend Meilen weit entfernt, nicht näher als der Aufgabeort seines letzten Briefes, den sie in ihrer Handtasche trug. Sie blickte sogar in die Richtung, wo erstand, aber auch so hätte sie den halb in der Tür Verborgenen nicht erkannt, da sie ihn in England wähnte.
    Noch immer rührte sich Jerry nicht. Er sah, wie sie in ihren Wagen stieg und heimwärts fuhr, wobei ihr Haar im Winde flatterte, und seine Gedanken kehrten zu den Tagträumen zurück, die ihn über die langen, öden Stunden auf dem Hinweg oder bei der Rückkehr von einem Einsatz hinwegzubringen pflegten, wenn kein feindlicher Angriff mehr zu erwarten und er seine Nerven mit Phantasiebildern beruhigte und sich ausmalte, wie es sein würde, wenn er das nächste Mal Catharine besuchte.
    In Gedanken malte er sich so alle Möglichkeiten aus, in New S York oder auf dem Flugplatz oder auf dem kleinen Bahnhof von Westbury oder gar vor ihrer Haustür unter den großen Ulmen und den Fliederbüschen. Seine Sehnsucht erreichte. den Höhepunkt immer dann, wenn er sich vorstellte, wie sie auf seine ausgestreckten Arme zulief und er ihr Haar an seiner Wange fühlte und die zarte Berührung ihres Mundes. Dies erschien ihm immer gewissermaßen als eine neue Bestätigung ihres Versprechens, das sie sich vor seiner Abfahrt gegeben hatten.
    Und wie er nun hier stand, wurde er sich bewußt, daß jener Augenblick auf immer entschwunden war, daß er

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