Ferien mit Patricia
machten Jerry alles noch schwerer.
»Es ist ja nichts geschehen«, sagte er, »das heißt, ich habe sie weder gesehen noch mit ihr gesprochen. Nur, eben... ich habe in England ein Mädchen kennengelernt und...«
»Oh, Jerry, nein!«
Helen Wright sprach diese Worte, als ob das Ende der Welt gekommen sei, und für einen Augenblick machten sie Jerry ärgerlich. Der verletzte und erschreckte Blick und der Ton ihrer Stimme erinnerten ihn daran, wie er als kleiner Junge vor ihr gestanden hatte, wenn er eine Sünde beichten mußte. Aber sein Ärger schwand wieder dahin, als er sich vorstellte, wie bekümmert sie sein mußte.
Harman trank schweigend sein Glas leer und beobachtete seinen Sohn.
Helen wurde von neuer Angst gepackt und rief:
»Jerry, du bist doch nicht verheiratet, du hast doch nicht etwa...«
»Verheiratet? Nein! Aber ich werde es tun. Deswegen bin ich ja nach Hause gekommen und will mit Catharine sprechen.«
»Aber Jerry, das kann nicht wahr sein! Ich kann’s nicht glauben. Wie konntest du nur...« In ihrer Stimme lag ein Anflug von Hysterie, der Jerry erschreckte. Auch sein Vater mußte es bemerkt haben. Ruhig fragte er:
»Und wer ist sie denn, Jerry?«
Ja, wer war Pat? Wer war dieses Wesen? Eine unter unzähligen Millionen, die irgendwo an einem winzigen Ort der Erde wohnte, deren Namen und Herkunft man angeben konnte, von der sich vieles berichten ließ, was typisch für sie war, und die in der menschlichen Gesellschaft irgendeinen Platz einnahm. War sie nur das? War sie nicht vielmehr sein Herzschlag, sein Hunger, sein Durst und seine Hoffnung auf Erden?
Seit sie sich getrennt hatten und er sich bewußt geworden war, daß er sie liebte, hatte er immer in seinem Kopf nach Worten gesucht, um das auszudrücken, was so vollständig Besitz von ihm ergriffen hatte, um dessen, was plötzlich in ihm lebendig geworden war, Herr zu werden. Und jetzt, als sein Vater fragte: »Wer ist sie denn?« konnte er nur antworten:
»Sie heißt Pat... Patricia Graeme. Sie ist in der Royal Air Force und arbeitet auf einer Radarstation.« Dann fügte er leise hinzu: »Ich liebe sie!«
Mit einem tiefen Seufzer sagte die Mutter:
»Jerry! Wie kannst du nur so etwas sagen? Es ist gewiß nur eine sinnliche Verblendung.«
Jerry zuckte zusammen. Er haßte dieses Wort, haßte es, seit er es zum ersten Male gehört hatte. Jetzt haßte er es um so mehr, als seine Mutter es in Verbindung mit Pat aussprach. Es war ein Wort, das alles irgendwie beschmutzte. Sein Vater schleuderte haargenau den Zigarettenstummel in den Kamin und sagte: »Jerry ist kein Kind mehr, Helen«, was ihm einen dankbaren Blick seines Sohnes eintrug. »Fahr fort, Jerry...«
»Das ist alles«, sagte Jerry. »Ich konnte nicht schreiben. Und als ich so unvermutet Eagles traf, der mir die Möglichkeit bot, nach Hause zu kommen, ergriff ich die Gelegenheit, um die Sache zu klären.«
Die Enttäuschung über die Zerstörung ihrer Hoffnung und der hilflose Ärger, der in Helen Wright aufstieg, waren mehr ein Ergebnis ihrer dauernden Kampfbereitschaft gegen alles, was das Gefüge ihres Lebens bedrohte, als ein Mangel an jeglichem Verständnis oder an Liebe für Jerry. Und dazu kam noch die Plötzlichkeit, mit der dieser Angriff erfolgt war.
Für sie war er immer noch ein Kind. Vom Krieg hatte sie nur eine äußerst dürftige Vorstellung, und die Rolle, die den Männern darin zufiel, das Leben, das Jerry in England führte, und die Gefahr, der er täglich in die Augen zu blicken hatte, dies alles war ihr fremd. Gewiß hatte der Krieg ihr Jerry weggenommen. Aber hatte das nicht auch das College getan? Das ganze Elend des Krieges war, abgesehen von einigen kleineren Unannehmlichkeiten und wohlgemeinten Zurschaustellungen patriotischer Pflichterfüllung, ihrem Heim fremd geblieben.
Sie liebte Catharine zärtlich, und die Heirat ihres Sohnes mit der Tochter ihrer besten Freundin lag ihr mehr am Herzen, als sie es sich je vorgestellt hatte. Und als Frau spürte sie schon den schweren Schlag, den tiefen Kummer, der einem Wesen zugefügt wurde, das jung, unschuldig, liebevoll und treu war.
Mit einer Stimme, die leicht zitterte, sagte sie:
»Jerry, kannst du dir vorstellen, was das für Catharine bedeutet? Von dem, was es für Vater und mich bedeutet, will ich gar nicht erst sprechen...«
»Helen, meinst du nicht...?« warf Harman ein.
»Einen Augenblick, Harman! Catharine liebt dich, Jerry. Für sie bist du die Sonne, die am Morgen aufgeht und am Abend versinkt.
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