Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ferien vom Ich

Ferien vom Ich

Titel: Ferien vom Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Keller
Vom Netzwerk:
sein.
    Drittens: Jeder Mensch, der ein Pferd kauft, das er übermorgen Weiterverkäufen oder schlachten lassen kann, überlegt es nach zwanzig Rücksichten. Einer, der eine Frau nimmt, die er zeit seines Lebens auf dem Halse behält, und der weniger vorsichtig verfährt, ist ein Dummian.«
    Stefenson brachte diese Sätze ohne alle Gemütsbewegung vor wie einer, der unwiderlegbare Behauptungen aufstellt. Die blonde Eva hat ihn bisher nicht angesehen.
    Jetzt stand sie auf, blickte ihm voll in die Augen und sagte kühl: »Alles, was Sie da sagen, ist nach Ihrer Meinung klug und richtig. Aber ich - ich mag das nicht! Ich mag das alles ganz und gar nicht!«
    Sie verließ das Zimmer. Wir riefen ihr beide nach. Sie gab keine Antwort mehr.
    Stefenson ging langsam durch das Zimmer, zündete sich eine Zigarre an und sagte nach einer Weile:
    »Das ist danebengegangen!«
    »Ja, ganz daneben!«
    »Sie freuen sich wohl?«
    »Ach, ich kann nicht sagen, daß ich verärgert bin.«
    »Das kann ich mir denken!«
    Darauf zündete auch ich mir eine Zigarre an, und wir setzten uns gegenüber und rauchten dicke Wolken.
    »Was war denn eigentlich los?« fragte Stefenson.
    »Nun«, sagte ich, »Sie sind ein Mann, und sie ist ein Weib.«

Vom Bruder und seiner Frau

    Mit Eva Bunkert verließ uns auch die kleine Anneliese. Am Abschiedsabend hatte sie sich nicht beteiligt. Es hieß »Bärbel« sei nicht wohl und habe sich zeitig zur Ruhe gelegt. Wie mein Bruder mit dem Mädchen stand, wußte ich nicht. Joachim war verschlossener als je. Am Abend des Tages aber, da die Mädchen abgereist waren, kam er zu mir.
    Ganz unvermittelt sagte er: »Fritz, ich möchte fort. Morgen oder übermorgen.«
    »Fort? Wohin?«
    »Wieder hinüber.«
    »Nach Amerika?«
    »Ja.«
    Ich sah ihn schweigend an.
    Da sagte er: »Du hast wohl gemerkt, daß ich eine Neigung für Fräulein Anneliese hatte. Ich hoffte, es könnte mir ein neues Glück in der Heimat erblühen. Diese Hoffnung hat mich betrogen - wie alle anderen.«
    »Ist es aus zwischen euch?«
    »Ja. Das Mädchen hing an mir, und es war alles verabredet für baldige Hochzeit. Da hielt ich mich gestern für verpflichtet, ihr mein Leben zu schildern. Droben am Hange sind wir gewesen. Da habe ich ihr das Schwere gesagt. Sie hat sehr geweint und sich schwer von mir losgerissen; aber sie bleibt dabei, daß sie den geschiedenen Mann einer noch lebenden Frau nicht heiraten dürfe. Du weißt wohl, warum?«
    »Ja. Ihre katholische Religion verbietet Anneliese solche Ehe.«
    Er fing an zu toben, an den Ketten zu zerren - ich ließ ihn reden und toben.
    Zuletzt sagte er:
    »Und ich weiß nicht einmal, ob dieses - dieses Weib noch lebt.«
    Ich blieb still.
    »Weißt du etwas von ihr? Weißt du, ob sie noch lebt?«
    »Sie lebt.«
    Er stöhnte. Ich merkte, wie sehnsüchtig er auf den Tod seiner Frau gehofft hatte.
    »Und - das Kind, wo ist es?«
    »Es ist bei seiner Mutter.«
    »Das habt ihr zugegeben? So gewissenlos seid ihr gewesen?«
    »Das Kind ist wohl aufgehoben bei ihr.«
    Er lachte rauh und ergoß eine Flut schwerster Schimpfworte über seine Frau. Wieder ließ ich ihn reden und toben. Zuletzt stieß er hervor:
    »Wo hält sich das Scheusal auf?«
    »Deine Frau? Das sage ich dir nicht.«
    »Das mußt du mir sagen!«
    »Nein, Joachim, ich sage es dir nicht!«
    Er ballte die Fäuste und trat mit dem Fuß auf. Dann ließ er die Arme schlaff hängen und sagte in feindseligem Ton: »Gut! Was ich wissen will, werde ich auch ohne dich erfahren.«
    Ohne Gruß verließ er mich. Ich trat ans Fenster und sah ihn unten über die Wiese gehen. Das war der Mann, dem ich fünf Jahre lang um die ganze Welt nachgereist war. Weil er der Sohn meiner Mutter war. Nun würde ich eine solche Familienaufgabe nicht mehr übernehmen. Ich öffnete nicht einmal das Fenster, um ihm nachzurufen.
    Ich setzte mich an den Schreibtisch und begann zu arbeiten. Es ging schwer. Ich war von der Aufregung der letzten Nacht und des Tages ganz benommen. Es fiel mir ein, Joachim werde nun wohl zur Mutter gehen. Aber die wußte ja auch nichts von Katharina, die bei uns Magdalena hieß, hatte keine Ahnung von ihrer Anwesenheit hier im Heim. Es wurde spät. Ich wollte nur noch meine letzte Zigarette ausrauchen, dann schlafen gehen. Wie gleichmütig mich der Abschied des Bruders ließ! Freilich, die Mutter würde wieder sehr mit mir zürnen. Aber ich konnte das nicht ändern. Ich war aller Familiensimpelei müde geworden.
    Als ich noch so still dasaß, hörte ich

Weitere Kostenlose Bücher