Ferne Ufer
der Reling stehen und starrten uns mit brennenden Augen an.
»Die besten Empfehlungen des Kapitäns, Mr. Fraser, würden Sie zu Essen kommen?« Es war Maitland, der Kabinensteward, der aus vorsichtiger Entfernung seine Botschaft übermittelte.
Jamie holte tief Luft und riß sich von mir los.
»Aye, Mr. Maitland, wir kommen sofort.«
Er rückte seinen Rock zurecht und bot mir den Arm.
»Wollen wir nach unten gehen, Sassenach?«
»Einen Augenblick.« Ich zog einen kleinen Gegenstand aus der Tasche und drückte ihn ihm in die Hand.
Er starrte auf das Bildnis von König George III. und sah mich fragend an.
»Für die Abrechnung«, sagte ich. »Aber jetzt wollen wir essen.«
Auch am nächsten Tag fanden wir uns auf Deck ein, denn wir zogen den kalten Wind der stickigen Luft in den Kajüten vor. Wir wanderten wie immer an der einen Seite des Schiffs hinunter und an der andern wieder hinauf, aber dann blieb Jamie stehen und erzählte mir, an die Reling gelehnt, eine Anekdote aus der Druckerei.
Nicht weit von uns saß Mr. Willoughby mit gekreuzten Beinen im Schutz des Hauptmasts; er hatte einen kleinen feuchten Tuschestein und einen großen weißen Papierbogen vor sich auf dem Deck. Sein Pinsel huschte leicht wie ein Schmetterling über das Papier und hinterließ erstaunlich klare Schriftzeichen.
Fasziniert beobachtete ich, wie er oben auf der Seite eine neue Reihe begann. Er arbeitete rasch und gewandt - wie ein Tänzer oder Schwertkämpfer, der seine Kunst beherrscht.
Ein Matrose kam im Vorbeigehen bedenklich nah an das Blatt heran, so daß er fast einen großen, schwarzen Fußabdruck auf dem schneeweißen Papier hinterlassen hätte. Kurze Zeit später tat ein anderer dasselbe, obwohl genug Platz vorhanden war. Dann kehrte der erste zurück und stieß unachtsam den kleinen schwarzen Tuschestein um.
»Tss!« rief der Matrose verärgert und wies auf den schwarzen Klecks auf dem sonst makellosen Deck. »Dreckiger Heide! Schaut, was er angerichtet hat!«
Der zweite Matrose, der eben von seinem kurzen Besorgungsgang zurückkam, blieb neugierig stehen. »Auf dem sauberen Deck! Das wird Kapitän Raines gar nicht gefallen!« Er nickte Mr. Willoughby spöttisch zu. »Am besten leckst du es schnell auf, Kleiner, bevor der Kapitän kommt.«
»Genau, das machst du, leck es auf. Aber schnell!« Der erste Matrose trat einen Schritt näher an den Sitzenden heran, so daß sein Schatten auf das Papier fiel. Mr. Willoughbys Lippen wurden schmal, aber er blickte nicht auf. Er vollendete die zweite Reihe, stellte den Tuschestein wieder auf und begann mit sicherer Hand die dritte.
»Ich sagte«, begann der erste Matrose mit lauter Stimme, hielt aber überrascht inne, als ein weißes Taschentuch vor ihm aufs Deck flatterte und den Tintenklecks bedeckte.
»Verzeihen Sie, meine Herren«, sagte Jamie. »Ich habe wohl etwas fallen lassen.« Er nickte den beiden zu, bückte sich und hob das Taschentuch auf. Darunter blieb nichts als ein matter Schmierfleck zurück. Die Seeleute tauschten einen unsicheren Blick. Einer der Männer sah in die blauen Augen des höflich lächelnden Jamie und wurde blaß. Hastig drehte er sich um und zog seinen Kameraden am Arm mit sich.
»Keine Ursache, Sir«, murmelte er. »Komm schon, Joe, wir werden auf dem Achterdeck gebraucht.«
Jamie würdigte weder die Seeleute noch Mr. Willoughby eines Blickes, sondern kam zu mir und steckte sein Taschentuch wieder in den Ärmel.
»Ein schöner Tag heute, nicht wahr, Sassenach?« Er warf den Kopf zurück und atmete tief ein. »Die Luft ist erfrischend, aye?«
»Für den einen anscheinend mehr als für andere«, entgegnete ich amüsiert. An dieser Stelle des Decks stieg einem der Geruch von alaungegerbten Tierhäuten aus dem unteren Frachtraum in die Nase.
»Das war nett von dir«, sagte ich, als er sich neben mir an die Reling lehnte. »Was meinst du, soll ich Mr. Willoughby anbieten, daß er in meiner Kajüte schreiben kann?«
Jamie schnaubte. »Nein. Ich habe ihm schon gesagt, daß er meine Kajüte oder zwischen den Mahlzeiten auch den Tisch in der Messe benutzen kann, aber er bleibt lieber hier - der dickköpfige Esel.«
»Ich vermute, das Licht ist hier besser.« Ich beäugte zweifelnd die gebeugte Gestalt, die verbissen am Mast kauerte. Ein Windstoß fuhr unter den Papierbogen. Mr. Willoughby drückte ihn sofort zu Boden und hielt ihn mit einer Hand fest, während er mit der anderen seine Schriftzeichen malte. »Es sieht nicht besonders bequem
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