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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Die Anforderungslisten mußten noch in dieser Woche nach London geschickt werden.
    »Zweihundert Pfund Weizenmehl«, notierte er und versuchte, sich auf die Schriftzüge zu konzentrieren. Das Schwierige an der täglichen Schreibarbeit war, daß sie seine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm, nicht aber seinen Verstand, so daß sich die Erinnerungen an die Begebenheiten des Tages dazwischen drängen konnten.
    Man tat besser daran, Bestrafungen dieser Art nicht aufzuschieben. Die Gefangenen wurden sonst unruhig und schwer zu zügeln. Ein rascher Vollzug der Strafe dagegen war oft heilsam, denn er zeigte den Männern, daß jedes Vergehen rasch und gnadenlos vergolten wurde und erhöhte den Respekt der Gefangenen vor denen, die sie gefangenhielten. Irgendwie hatte Grey jedoch den Verdacht,
daß die Gefangenen jetzt nicht mehr Respekt empfanden als zuvor - zumindest nicht vor ihm.
    Man hatte die Gefangenen rings um den Gefängnishof Aufstellung nehmen lassen. Ihnen gegenüber standen Wachsoldaten mit Bajonetten, um jeglichen Aufruhr zu verhindern.
    Aber seine Befürchtungen waren unbegründet. Unter eisernem Schweigen hatten die Gefangenen im Regen ausgeharrt. Einzig das übliche Husten und Räuspern, das zu jeder Menschenansammlung gehört, war zu vernehmen. Vor nicht allzulanger Zeit war es Winter geworden und Erkältungen waren an der Tagesordnung.
    Die Hände auf dem Rücken verschränkt, hatte der Major zugesehen, wie der Gefangene zum Podest geführt wurde. Der Regen drang durch Greys Rock und lief in kleinen Rinnsalen unter sein Hemd. Jamie Fraser stand anderthalb Armlängen von ihm entfernt bis zur Taille entkleidet auf der Plattform. Er bewegte sich sicher und ohne Hast, als hätte er derartiges schon öfter erlebt, als mäße er der Sache keine sonderliche Bedeutung bei.
    Auf ein Zeichen des Kommandanten packten die beiden Soldaten die Hände des Gefangenen, zogen sie in die Höhe und banden sie an die Staupsäule. Anschließend knebelten sie ihn. Fraser stand aufrecht da, während der Regen an seinem Körper herablief und den dünnen Stoff seiner Hosen durchfeuchtete.
    Grey nickte dem Sergeanten zu, der das Anklageprotokoll in Händen hielt. Zu seiner Verärgerung ergoß sich dabei ein Wasserschwall über ihn, da sich der Regen auf seiner Hutkrempe gesammelt hatte. Er rückte sich seine durchgeweichte Perücke zurecht und nahm rechtzeitig wieder Haltung an, um die Verlesung der Anklage und den Urteilsspruch zu hören.
    »… eine Übertretung des Gesetzes Seiner Majestät, die mit sechzig Peitschenhieben bestraft wird.«
    Grey blickte ungerührt auf den Beschlagmeister, der die Strafe auszuführen hatte. Niemandem war die Prozedur fremd. Wieder zu nicken wagte er jedoch nicht, weil es immer noch regnete. Statt dessen senkte er die Lider ein wenig und sprach den üblichen Satz: »Mr. Fraser, nehmen Sie nun Ihre Strafe entgegen.«
    Dann blieb er regungslos stehen, den Blick fest nach vorne gerichtet. Zischend sauste die Peitsche nieder, und bei jedem Schlag ächzte der Gefangene so laut, daß es durch den Knebel hindurch
zu hören war. Der Mann spannte alle Muskeln an, um den Schmerz abzuwehren. Bei dem Anblick taten auch Grey die Glieder weh, und er trat von einem Bein aufs andere.
    Grey spürte die Männer in seinem Rücken. Schweigend hielten die Soldaten und Gefangenen den Blick auf das Podest und die Gestalt in der Mitte geheftet. Selbst das Husten war verstummt.
    Eine dünne Schicht von Selbstverachtung legte sich über Greys so gut im Zaum gehaltene Gefühle. Plötzlich war ihm bewußt geworden, daß er nicht aus Pflichtgefühl wie gebannt auf das Schauspiel starrte, sondern weil er den Blick von dem herrlichen Körper, auf dem Regen und Blut schimmerten, nicht abwenden konnte.
    Wohl weil er die Prozedur ein wenig beschleunigen wollte, verabreichte der Beschlagmeister einen Hieb nach dem anderen. Alle wollten es rasch hinter sich haben und nicht länger im Regen stehen. Grissom zählte jeden Schlag laut mit und notierte die Zahl auf einem Stück Papier. Der Beschlagmeister prüfte die Peitsche und ließ die Stränge mit den gewachsten Knoten durch die Finger gleiten, um Blut und Hautfetzen abzustreifen. Dann hob er die Katze, schwang sie über dem Kopf und schlug wieder zu.
    »Dreißig!« zählte der Sergeant.
    Major Grey zog die unterste Schublade auf. Beinahe hätte er sich über dem Stapel mit Anforderungslisten übergeben.
     
    Kräftig hatten sich seine Finger in die Handflächen gekrallt, aber das Zittern

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