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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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von Ellesmere nicht ein einziges Mal sein Bett verlassen.
    »Aye, Mylady?« Jeffries war als Zeuge aufgerufen worden, MacKenzie nicht. Was das Untersuchungsgericht betraf, war der Knecht MacKenzie niemals über Ellesmeres Schwelle getreten.

    Ihre Blicke begegneten sich.
    »MacKenzie, wir sind Ihnen dankbar«, erklärte sie leise.
    »Ich danken Ihnen, Mylady.«
    »Sehr dankbar«, wiederholte sie, ohne den Blick von ihm abzuwenden. »MacKenzie ist nicht Ihr richtiger Name, oder?« fragte sie unvermittelt.
    »Nein, Mylady.« Trotz der wärmenden Mittagssonne lief es ihm eiskalt den Rücken hinunter. Wieviel hatte Lady Geneva ihrer Mutter vor ihrem Tod erzählt?
    Sie hatte sein Zucken wohl bemerkt, denn ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem beruhigenden Lächeln.
    »Ich denke, im Augenblick spielt der richtige Name keine Rolle«, sagte sie. »Aber ich habe eine Frage. MacKenzie - möchten Sie nach Hause zurückkehren?«
    »Nach Hause?« Verdutzt wiederholte er ihre Worte.
    »Nach Schottland.« Sie sah ihn aufmerksam an. »Ich weiß, wer Sie sind. Ihren Namen weiß ich zwar nicht, wohl aber, daß Sie einer von Johns jakobitischen Gefangenen sind. Mein Mann hat es mir erzählt.«
    Jamie betrachtete sie argwöhnisch, aber sie wirkte nicht verstört. Zumindest nicht mehr, als von einer Frau zu erwarten war, die soeben eine Tochter verloren und einen Enkel bekommen hatte.
    »Hoffentlich können Sie die Täuschung vergeben, Mylady«, sagte er. »Seine Lordschaft…«
    »…wollte mir Kummer ersparen«, beendete Lady Dunsany den Satz. »Ja, ich weiß. William macht sich zu viele Sorgen.« Dennoch glättete sich die tiefe Stirnfalte bei dem Gedanken an die Fürsorglichkeit ihres Mannes. Dieser Anblick, der von großer ehelicher Zuneigung zeugte, versetzte Jamie einen leichten, unerwarteten Stich.
    »Wir sind nicht reich. Das werden Sie Ellesmeres Bemerkungen entnommen haben«, fuhr Lady Dunsany fort. »Helwater ist ziemlich verschuldet. Doch mein Enkel ist nun der Erbe eines der größten Vermögen des Landes.«
    Darauf konnte er nichts erwidern als: »Aye, Mylady?«, wenngleich er sich wie der Papagei vorkam, der im großen Salon zu Hause war. Er hatte ihn erspäht, als er tags zuvor bei Sonnenuntergang verstohlen durch die Blumenbeete gekrochen war und sich
an das Haus herangepirscht hatte, während sich die Familie zum Abendessen ankleidete. Er wollte einen Blick auf den neuen Grafen von Ellesmere werfen.
    »Wir leben hier sehr zurückgezogen«, fuhr sie fort. »Wir fahren selten nach London, und mein Gatte besitzt nur wenig Einfluß. Aber…«
    »Aye, Mylady?« Allmählich dämmerte ihm, was seine Herrin mit der Plauderei bezweckte, und er wurde von einer jähen Erregung gepackt.
    »John Grey stammt aus einer sehr einflußreichen Familie…« Sie zuckte die Schultern, ohne auf weitere Einzelheiten einzugehen.
    »Man könnte sich möglicherweise für Sie verwenden, damit Sie von Ihrem Wort entbunden werden und nach Schottland zurückkehren können. Deshalb bin ich gekommen und wollte Sie fragen… Möchten Sie nach Hause, MacKenzie?«
    Ihm stockte der Atem, als hätte ihm jemand einen Schlag in den Magen versetzt.
    Schottland. Dieses feuchte Sumpfland verlassen, den Fuß auf diese verbotene Straße setzen, unbeschwert mit langen Schritten ins Felsland hinaufwandern, den Wildpfaden folgend. Zu erleben, wie sich die Luft klärt und mit dem Duft nach Ginster und Heidekraut füllt. Zurück in die Heimat!
    Nicht länger ein Fremder sein. Der Feindseligkeit und Einsamkeit den Rücken kehren. In Lallybroch ankommen. In das freudige Gesicht seiner Schwester blicken und ihre Arme um seine Taille spüren. Ians Umarmung und das ungeduldige Gezerre von Kinderhänden an seinen Kleidern.
    Wegzugehen und sein eigenes Kind nie wiederzusehen, nie wieder von ihm zu hören. Er starrte Lady Dunsany ausdruckslos an. Er wollte sich den inneren Aufruhr nicht anmerken lassen, den sie in ihm entfacht hatte.
    Er hatte das Baby gestern endlich entdeckt. Es lag schlafend in einem Korb neben dem Kinderzimmerfenster im ersten Stock. Er saß in halsbrecherischer Pose auf dem Ast einer hohen Rottanne und versuchte, durch die Nadeln hindurch etwas zu erspähen.
    Das Gesicht des Kindes war nur im Profil zu erkennen. Da das Häubchen ein wenig verrutscht war, konnte er den winzigen Schädel erkennen, der mit goldenem Flaum bedeckt war.

    »Gottlob, er ist nicht rothaarig« war sein erster Gedanke, und er bekreuzigte sich erleichtert.
    »Gott, wie winzig er

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