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Ferne Verwandte

Ferne Verwandte

Titel: Ferne Verwandte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaetano Cappelli
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den Kopf, dass er es mit den Kommunarden teilen sollte, wie er in seinem kurzen Brief deutlich machte:

    Meine Freunde, Brüder und Landsleute,
    nemt es mir nicht krumm wenn ich abhaue, aber im Leben mus man Entscheidungen trefen, und ich hab beschlosen, das ich nicht bei Toblerone arbeite. Ihr habt gesehn, was aus Papa und Mamma geworden ist, wo es so leicht ist, Geld zu verdinen, und jetzt weis ich, dass ich am libsten diele, also den pusher mache. Verzeit mir wegen eurer hohen Ideale, aber sie sind mir schnurtz.
    Alles Gute und bleibt mir gewogen
    Immer euer
    Sebastiano genannt Schweizer

    Abgesehen von formalen Aspekten wäre nichts dagegen einzuwenden gewesen, hätte dieser Schwachkopf nicht den ganzen Grasvorrat und damit unsere einzige Einkommensquelle mitgenommen. Es vergingen noch ein paar Tage, dann gab uns Oluf, natürlich in aller Liebenswürdigkeit, zu verstehen, dass unser Urlaub zu Ende sei.
    Zu Ende war auch der Sommer, und jeder ging nun gern seiner eigenen Wege. Rino war Urzula inzwischen so herzlich zugetan, dass er ihr nach Lappland folgte. Apache und Tarcisio mussten sich an der Universität in Rom einschreiben. Und ich würde ins Dorf zurückkehren, was mir gar nicht leidtat. Dies hier konnte nicht mein Leben sein. Ich brauchte Gewissheiten, feste Bezugspunkte, und in den letzten Monaten hatte ich jeden Sinn für die Realität verloren. Außerdem war mir doch tatsächlich die allgemeine Promiskuität auf die Nerven gegangen - seit wann hatte ich nicht mehr allein in einem Zimmer geschlafen? Und um ganz ehrlich zu sein: Das Haus am Fluss war ja im Sommer ganz schön, aber im Winter beispielsweise, wie wusch man sich da, wo es doch nicht einmal eine Dusche gab? Ganz zu schweigen von dem verdreckten Lokus, der schlimmer war als die Aborte in den Zügen. Jetzt erschien mir sogar die Aussicht, mit der Großmutter zu arbeiten, in rosigem Licht. Und Incoronata wieder in die Arme zu schließen, konnte ich kaum erwarten: Nach all den Frauen, die ich gehabt hatte, war dies das eindeutigste Zeichen dafür, dass ich sie wirklich liebte. So sagte ich also Gwinevere Ade und kaufte mir eine Fahrkarte, und dieses Mal tat ich während der ganzen Reise nichts anderes, als mir die tollsten Entschuldigungen auszudenken, warum ich Inco kein einziges Mal angerufen hatte.
    Aber ich hätte mir keine Entschuldigung auszudenken brauchen. Als ich mich am Ende der unendlich langen Fahrt - in meinem weißen Kaftan schön, langhaarig und unwiderstehlich wie Odysseus bei seiner Heimkehr nach Ithaka - bei ihr zurückmelde, treffe ich nämlich keine Inco an.
    »Sie ist auf Hochzeitsreise. Sie hat Titino Darsena geheiratet«, schleudert mir ihre Schwester Concetta entgegen.

    »Sie hat geheiratet?«, staune ich.
    »Was hätte sie machen sollen, sich vielleicht auf Bigamie einlassen?«
    »Bigamie?«
    »Na klar, du heiratest eine Deutsche, und sie darf dann in Bigamie leben.«
    »Ich eine Deutsche heiraten? Spinnst du? Wer hat dir denn diesen Bären aufgebunden?«
    Sie knallt mir die Tür vor der Nase zu, ich klingle wie verrückt, sie öffnet wieder und hat ein Telegramm folgenden Inhalts in der Hand:
    Bitte Abwesenheit und schlechtes Benehmen zu entschuldigen. Aber jetzt habe ich mich mit einer Deutschen verheiratet, da diese von mir geschwängert. So etwas kommt leider vor. Auch Dir alles Gute und viel Glück.
    Unterfertigt von dem hier vorstellig Gewordenen:
    Carlino Dilontrone
    »Und so ein Zeug soll ich geschrieben haben? In so einem Stil?«
    »Auf den Inhalt kommt es an!«
    »Aber ich habe keine Deutsche geheiratet, ich bin nicht einmal in Deutschland gewesen!«
    »Und während der drei Monate, wo bist du da gewesen? Hättest du mal einen Brief geschrieben oder angerufen … Vielleicht hast du dich schon wieder scheiden lassen, aber Incoronata ist jedenfalls vor Kummer fast eingegangen, und dann hat sie den Titino genommen, weil der noch da war, meine arme Schwester. Du bist ein Schuft, und wenn der Liborio noch am Leben wäre, der würde es dir heimzahlen. Jetzt schau, dass du verschwindest!«, und sie schlägt mir wieder die Tür vor der Nase zu, dieses Mal endgültig.
    Mehr als Schmerz verspüre ich Wut und kicke auf dem Heimweg Steine durch die Gegend. Ja, ich hatte es mir selber eingebrockt - auf diese Weise zu verduften! Und dennoch … Wenn nicht jemand beschlossen
hätte, mich zugrunde zu richten, wäre diese Episode bald nur noch eine Erinnerung gewesen, eine jener Erinnerungen, welche die jungen südländischen

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