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Ferne Verwandte

Ferne Verwandte

Titel: Ferne Verwandte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaetano Cappelli
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und so heftig gegen unser Haus wuchtete, dass es ins Wanken geriet. Von diesem Aufruhr betäubt, legte ich Kopf und Arme auf die Schreibtischplatte und erwartete, dass irgendeine besonders starke Bö es früher oder später aus den Angeln heben würde. Man weckte mich zum Abendessen.
    So sahen meine Abende aus, während die Arbeiter der Firma Cacciafumo noch damit beschäftigt waren, die Decke wiederherzustellen, die uns dank der Gnade Gottes nicht zermalmt hatte. Die Ankunft des Frühlings fiel mit unserer Rückkehr in die »Zuflucht vor der Welt« zusammen. Die Mauern rochen nach frischem Kalk - ein Geruch, den ich mehr als jeden anderen immer noch mit dieser Jahreszeit assoziiere.
    Am Nachmittag lernte ich jetzt, und wenn ich meine Hausaufgaben erledigt hatte, waren meine Freunde schon seit Stunden auf dem kleinen Platz vor dem Haus - ich hörte ihre fröhlichen Stimmen widerhallen, ihre Flüche wegen eines nicht zugestandenen Freistoßes, das Jubelgeschrei, das auf jedes Tor folgte -, während ich mich in die Lektüre aller für mich greifbaren Bücher vertiefte. Was hätte ich schon tun sollen, eingesperrt, wie ich war? Es waren die Bücher meiner Cousinen. Um sie zu holen, musste ich warten, bis sie außer Haus waren. Sie hätten sie mir nie ausgeliehen, und ich brauchte nicht lange, um zu begreifen, dass der Eifer, mit dem sie die Anordnungen der Großmutter befolgten, nur eine weitere
Methode war, mich für meine einstigen Privilegien büßen zu lassen. Deshalb bereitete es mir großes Vergnügen, die Lieblingsbluse, den Lieblingspullover oder die Lieblingsbrosche der einen in die Schublade der anderen zu legen und mich schon vorab an den von mir ausgelösten Kabbeleien zu ergötzen, bevor ich mich schließlich aus ihren Bücherregalen bediente. Dort gab es von allem etwas: Liebesgeschichten natürlich, aber auch Abhandlungen über Musik, Kunst und Philosophie sowie Handbücher über Astrologie, Gartenbau und gute Manieren. Ich hatte zwanzig Cousinen, und die Bandbreite ihrer Studien und Interessen bildete, befördert durch meine erzwungene Klausur, das Fundament meines eklektischen Wissens. Wieder einmal war es jedoch Tea, die mir zu den größten Freuden verhalf.
    Ihrem martialischen Temperament entsprechend, war sie ein Fan von Abenteuerromanen, von Sir Walter Scott bis zu Alexandre Dumas, von Théophile Gautier bis zu den großen Schriftstellern Jules Verne und Emilio Salgari, ja, sogar Ian Fleming, von dem ich nach einer systematischen Durchsuchung nicht weniger als zwei Bände fand, die sie wegen ihres zweifellos gewagten Inhalts hinter einer Kommode versteckt hatte. Ich begeisterte mich für diese Geschichten. Jetzt hörte ich nicht einmal mehr das Krakeelen auf der Piazzetta, und wenn es zufällig die Nebel meiner Phantasie durchbrach, war es nur ein lästiger Lärm oder, seltener noch, der passende Kontrapunkt zu den Seiten, die ich gerade las: der Schrei eines wilden Kopfjägerstamms vor der Attacke, das Hurra der Ritter der Tafelrunde nach einer Schlacht oder der melodiöse Klagegesang der Fischmenschen in der Tiefe des Meeres.
    Am Ende ziehe ich den Hass meiner Schulkameraden auf mich: Ich bin allen zu ernst und zu strebsam. Der Lehrer stellt mich als Vorbild hin. Die Großmutter mustert mich mürrisch. Ich verstecke mich mit einer brennenden Kerze am Fußende des Bettes, horche mit einem Ohr auf das stille Haus und sehe mir das Fotoalbum meiner Mamma an - mein einziger zusätzlicher Trost in diesen traurigen Monaten. Dass ich es gefunden habe, verdankt sich einem Zufall.

    Wir sind vollzählig zum Essen versammelt. Draußen schneit es, und auch drinnen ist es verdammt kalt. Jeder versucht sich mit seinen Kleiderschichten - Hemden, Pullovern, Mänteln, Schuhen - zu schützen, und die Erwachsenen lassen sich mit Wein volllaufen, genau das Richtige, um sich ein wenig aufzuwärmen. Die alte Dame beschließt, dass ich in den Keller gehen soll - ein Dienst, den, bevor ich in Ungnade fiel, meine Cousinen zu versehen hatten. Ich steige also die steile Treppe hinunter, die aus Holz besteht und merkwürdig nachgibt, denn sie ist vor Feuchtigkeit morsch. Unten ist es wie in einer Kühlzelle. Ich betrachte den Schnee, der hinter dem Fenstergitter herabfällt, die Schinken und die Speckschwarten, die an niedrigen Balken hängen, und merke, dass die Büßerhaltung, die ich einnehmen muss, um nicht dagegenzustoßen, nur ein weiterer Ausdruck der Demütigung ist, die Nonnilde mir zufügen will. Ich stelle den

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