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Fesseln der Erinnerung

Fesseln der Erinnerung

Titel: Fesseln der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nalini Singh
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hatte ihr etwas angeboten, dass sie so sehr wollte, dass eine Zurückweisung sie unweigerlich in den Irrsinn treiben würde.
    „Sophie?“ Eine stumme Frage.
    Sie schüttelte den Kopf. „In mir gibt es nicht mehr viel, Max.“ Manchmal waren es nur noch Echos. „Ich kann nicht so wie die Frau vorhin mit Ihnen spielen.“
    Max holte tief Luft, Sophias Ehrlichkeit hatte ihn betroffen gemacht. All die ausgeklügelten Rituale zwischen Männern und Frauen fielen auf einmal weg, da blieb kein Raum mehr für Halbwahrheiten und Illusionen. Er hätte sich zurückziehen können, aber seine Entscheidung stand fest – er würde diese eigenartige und heftige Anziehung zwischen ihnen weiterverfolgen. „Keine Spielchen“, sagte er und sah sie weiter an. „Nicht zwischen uns.“
    Sie holte tief Luft. „Ich bin eine Mediale, Max.“ Keine Zurückweisung … eine Erinnerung.
    „Sie sind eine J-Mediale.“ Er wandte sich ab, ließ seine Windjacke auf das Sofa fallen und ging dann in die Hocke, um den kleinen Glasschrank unter der Kommunikationskonsole zu inspizieren. Darin lagen mehrere Datenkristalle. „Könnte was hergeben.“
    Er sah, wie Sophia die Handschuhe straff zog, damit jedes Stück Haut bedeckt war, bevor sie die Datenkristalle in die Hand nahm. Er nahm ihre starre Körperhaltung wahr, dachte an ihre verzweifelten Worte und vermied sorgfältig jeden Körperkontakt, als er ihr die Kristalle übergab. „Sieht mir nicht nach Unterhaltung aus“, sagte er und erhob sich. „Wohl eher wichtige Informationen oder anderes Material.“
    Sophia legte die Kristalle auf den kleinen Wohnzimmertisch in der Mitte des Zimmers. „Er könnte Geschäftsunterlagen hier aufbewahrt haben, um sie schnell bei der Hand zu haben.“ Ihre Stimme war kühl, medial, aber er hatte gesehen, wie sich ihre Maske gelüftet hatte, und ließ sich davon nicht zum Narren halten. „Sachen, die der Geheimhaltung unterlagen. Man hat sie vielleicht hiergelassen, damit die Psychologen ein vollständiges Profil erstellen können.“ Sie zeigte auf den Flur hinaus. „Er hat sich im Schlafzimmer das Leben genommen.“
    Max nickte und begab sich in das Zimmer, in dem Kenneth Vale seine letzten Stunden verbracht hatte, in dem er langsam und qualvoll erstickt war. „Sie sollten sich das ansehen“, sagte er zu Sophia. „Das Bild in dem Bericht gibt den Eindruck nur sehr unvollständig wieder.“
    Sie stellte sich neben Max in den Türrahmen, denn sie vertraute darauf, dass er einen starken Willen besaß und sie nicht ohne Aufforderung berühren würde. An der Decke hing ein glänzender Fleischerhaken. „Die Tatsache, dass er sich die Mühe gemacht hat, den Haken in die Decke zu schrauben, wurde als Beweis für seine verwirrten Sinne angesehen.“ In ihrem Kopf tauchte ein anderes Foto des Tatorts auf – Vales verzerrtes Gesicht, die grotesk angeschwollene Zunge. Seine Därme hatten sich entleert und die wertvolle Wollhose beschmutzt.
    „Ich habe es im Flugzeug nicht geschafft, den ganzen Bericht zu lesen“, sagte Max, dessen Blick noch immer auf den nackten Metallhaken gerichtet war. „Wie haben sich die Ermittler die Kratzer im Nacken erklärt?“
    „Sie meinten, er habe die Unumkehrbarkeit seines Handelns zu spät erkannt.“ Der Tod war endgültig. Diese Wahrheit hatte sie schon sehr früh begriffen und nie wieder vergessen können.
    „Er war ein ziemlich guter Telepath, nicht wahr?“ Als sie nickte, zeigten sich feine Linien in seinen Augenwinkeln. „Dann müsste doch jemand seinen Hilferuf gehört haben.“
    „Es wurde Jax in seinem Blut gefunden“, sagte Sophia. „Der allgemeinen Überzeugung nach hat er im Drogenrausch die Orientierung verloren und nicht mehr aus seinem Kopf herausgefunden.“
    „Sie sind die mediale Expertin – ist so etwas möglich?“
    „Ja, das kann geschehen.“ Geistige Wege konnten sich verbiegen, verdrehen, zerbrechen … vor allem in einem gejagten, verängstigen Kind, das sich in höchster Not befand. „Wie auch immer, es gibt keine Belege dafür, dass Vale schon vorher einmal Drogen genommen hat – und meines Erachtens hätte er in dem Fall genau diese verwendet, um seinem Leben ein Ende zu bereiten. Eine stärkere Dosis wäre dazu völlig ausreichend gewesen.“
    Max gab ein zustimmendes Brummen von sich und trat zu dem nackten weißen Betonstück, über dem Vale sei Leben beendet hatte. Dort war der Teppich herausgeschnitten worden. „Außerdem passt es auch nicht zu seinem psychologischen Profil.“

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