Fesseln der Freiheit: Erotischer Roman (German Edition)
allen Notrufnummern, Frauenhausnummern und Psychologen in der Umgebung von Glasgow angefertigt und sie vorne in die Mappe geheftet.
Eigentlich war diese Sorge rührend, aber auf eine seltsame Weise bestärkte sie Tony darin, es mit Mikael und seiner ungewöhnlichen Art zu versuchen. Es versprach einen Kick – und allein die Tatsache, dass sie unter seinen Fingern tatsächlich gekommen war, sprach für sich. Jon hatte sie noch nie befriedigen können. Und die One-Night-Stands, die sie sich ab und an gönnte, waren meistens auch eher Reinfälle.
Gemütlich schlenderte sie in die Ankunftshalle, begrüßte Ian Radleigh, den Fahrer ihres Vaters, kaufte sich einen Kaffee und setzte sich mit Radleigh in die Nähe des Ausgangs, um auf Gillian Wertinger zu warten. Ob sie genauso war wie ihr Bruder? Tony hatte noch nicht einmal ein Bild von ihr gesehen. Oder ob sie aussah, wie man sich eine Amerikanerin eben vorstellte? Platinblond?
Das Mädchen, das schließlich auf das Schild reagierte, das Ian in die Luft hielt, war alles, nur nicht platinblond. Ihre Füße steckten in locker geschnürten Armystiefeln, darüber trug sie eine quietschbunte Strumpfhose und einen viel zu großen schwarzen Strickpulli. Ob sich irgendwo unter dem Saum des Pullis ein Rock verbarg, war nicht zu erkennen. Die schwarzgefärbten Haare hatte sie für den Flug zu einem Zopf geflochten, aber die Frisur hatte sich längst aufgelöst. Am heftigsten war jedoch ihr Make-up: dunkle Ringe um die Augen, blasse Haut und ein knallroter Mund.
Sie zog einen einzigen Koffer hinter sich her, und hatte sonst nur eine abgewetzte Handtasche dabei.
»Gillian Wertinger, Tag«, sagte sie lässig und streckte eine Hand aus. Abschätzend legte sie den Kopf schief. »Mika sagte, dass mich seine neuste Tussi abholt.«
So hat er das garantiert nicht gesagt. Tony schlug ein. »Tony Miller. Und der freundliche Herr hier ist Ian Radleigh, der Fahrer. Ist das alles, was du an Gepäck hast?«
»Mehr hab ich nich«, nuschelte sie und zuckte dann mit den Schultern. »Schlimm?«
»Ian, wären Sie so freundlich und würden das Gepäck der Dame schon mal in den Wagen bringen?« Tony schickte ihm einen warnenden Blick, ehe er mit Gillys Koffer und ihrem Kabinentrolley abzog. »Und jetzt zurück zu uns beiden, Gillian. Tussi ist nicht unbedingt die Ausdrucksweise, die ich hören will.«
»Mika sagte, ich soll mich bedanken, weil Sie den Spaß zahlen. Aber ich will eigentlich gar nicht da hin«, antwortete sie schulterzuckend. »Ich mach’s nur wegen Jayden. Weil er sonst enttäuscht wär. Aber mein Leben ist sowieso Müll, da ändert das auch nichts mehr.«
Wenn sie gewusst hätte, dass Mikaels Schwester ein derart schwieriger Patient ist, hätte sie sich niemals darauf eingelassen. Und wer Jayden war, wollte sie wahrscheinlich gar nicht wissen. Tony setzte sich als erste auf die Rücksitzbank des Mercedes und wartete, bis Gilly es sich bequem gemacht hatte.
»Vielleicht war dein Leben bisher Müll, das kann ich nicht beurteilen, kleiner Möchtegernpunk.«
»Goth«, korrigierte sie abschätzig. »Wenn Sie wissen, was das ist.«
»Zufälligerweise, ja.« Tony gab Ian das Zeichen, loszufahren. »Selbst wenn dein Leben bisher Müll war, kannst du es jetzt ändern. Jetzt hast du es selbst in der Hand, Gilly.«
»Ich bin nich halb so schlau wie Mika. Keine Chance.« Sie drehte den Kopf zum Fenster und blicke demonstrativ hinaus.
Tony atmete tief durch, um angesichts der schnoddrigen Art des Mädchens nicht die Geduld zu verlieren. »Ist ganz praktisch. Wenn du schwarz magst, wird dir die Schuluniform gefallen. Ich denke, wir sollten dich als erstes einkleiden, ehe du so auf dem Schloss auftauchst und dich gleich unbeliebt machst. Das habe ich damals geschafft, und es hat das erste Jahr noch härter gemacht.«
»Schuluniform?«, tönte es zurück. »Mika hat nichts davon gesagt, dass es so spießig ist. Ihr Engländer seid ja noch kranker als ich dachte. Er meinte, wäre ’ne gute Schule, auf der sogar ich die Chance auf einen Abschluss hätte. ’n englischer Abschluss ist besser als keiner, oder?«
»Spießig hin oder her, das Leben ist so.« Tony hob den Fuß an, soweit es eben ging, zog die Stoffhose nach oben und deutete auf die kleine Tätowierung über dem Knöchel. »Nur weil man sich äußerlich anpasst, heißt das nicht, dass du auch so denken musst wie sie. Gillian, ich kann dich nicht dazu zwingen, diese Chance wahrzunehmen, aber ich wünschte mir, du würdest es
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