Fesseln der Leidenschaft
Schafskopf. Hilary, sorgen Sie dafür, daß mein Herr Ehemann hier nicht hereingepoltert kommt.«
»Sie verlangen nicht wenig von mir.«
Wegen ihres unnötigen Spottes wurde auch Hilary mit einem empörten Blick bedacht. »Sehr gut, ich werde mich selbst darum kümmern.« Reina ging hinaus und murmelte vor sich hin: »Mein Gott, drei gegen einen sind schon eine Übermacht. Denkt Ranulf, seine Männer seien alle Riesen wie er selbst?«
Eric ließ sich matt gegen die Wand außerhalb von Walters Zimmer sinken. Offenbar hatte er Ranulf bereits erzählt, was geschehen war. Die Tür war noch offen, und Reina zögerte nun beim Anblick ihres Mannes, der regungslos neben Walters schmalem Lager stand. Ranulf hatte die Fäuste geballt und wirkte wie eine Steinfigur. Sein Gesicht war nicht erkennbar, aber sicher hatte er auch Florette mit seinem Zorn erschreckt, denn sie wartete ebenfalls vor der Tür.
Er rührte sich nicht, als Reina neben ihn trat. »Sie können Walter wegen seiner Verwundung keine Vorwürfe machen, Ranulf. Denken Sie, er hat sie sich absichtlich geholt?«
»Der Narr wußte, daß es in den Wäldern von Räubern wimmelt, und trotzdem nahm er nur drei bewaffnete Männer mit.«
»Aber daneben noch drei Ritter in voller Rüstung. Die Gesetzlosen machen sich selten an Reisende heran, die eine gewisse Macht darstellen.«
»Diesmal haben sie es getan.«
Was konnte sie darauf sagen? Er hatte also Anlaß, ärgerlich zu sein. Doch als er sie schließlich ansah, verriet sein Blick keinen Unmut, sondern eine abgrundtiefe, schreckliche Angst.
»Meine Lady, bitte, lassen Sie ihn nicht sterben«, brachte er mit tiefempfundener Schroffheit hervor. »Wenn Sie ihm helfen, sich zu erholen, können Sie meiner innigsten Dankbarkeit sicher sein.«
Reina spürte, wie sich ihr Hals verengte. Sie widerstand dem Drang, Ranulf zu umarmen und ihm zuzuflüstern, es gäbe nichts zu befürchten. Diesem Mann durfte man nicht mit Mitleid und banalen Versprechungen begegnen.
»Was denken Sie, mein Lord?« fragte sie mit gespielt harter Stimme. »So gern ich Ihre Dankbarkeit annehmen würde, muß ich Ihnen doch sagen, daß de Breaute nicht im Sterben liegt. Seine Wunden sind geringfügig, verglichen mit einigen, die ich schon gesehen habe.«
»Warum wacht er dann nicht auf?«
»Weil ich ihm etwas zum Schlafen gegeben habe, was auch Sir Searle von mir bekommen hat. Das ist das beste Mittel für einen Mann, seine Kraft nach einem kleinen Blutverlust wiederzugewinnen. Aber keiner der beiden ist so schwer verletzt, daß er sich nicht stürmisch über die lange Bettruhe beklagen wird, auf der ich bestehen muß.«
Sie war sich nicht sicher, ob ihr Gatte das schlucken würde, doch nach einer Sekunde nickte er kurz und verließ das Zimmer. Reina seufzte erleichtert, doch die Erleichterung verflog, als die junge Frau Walter betrachtete. Er war noch immer leichenblaß. Kein Wunder, daß Ranulf gedacht hatte, er würde sterben.
»Am besten hören Sie mir zu, de Breaute.« Sie beugte sich über ihn und flüsterte scharf in sein Ohr. »Wenn Sie jetzt sterben, machen Sie mich zu einer Lügnerin. Dann werde ich den Rest meines Lebens damit verbringen zu beten, daß Sie den Rest Ihres jenseitigen Zustandes im Fegefeuer verrotten. Aus welchem unbegreiflichen Grund Sie Ranulf auch lieb sein mögen – um seinetwillen werden Sie ganz schnell genesen!«
Ob er das nun gehört hatte oder nicht – Reina fühlte sich jedenfalls besser.
Florette wartete noch angstvoll vor der Tür. Reina schickte sie wieder hinein; sie solle bei Walter auf Anzeichen von Fieber achten und Reina im Ernstfall sofort holen lassen.
In der Halle sprach Ranulf wieder mit Eric. Reina hörte nur den Rest des Gesprächs, als sie sich den beiden näherte.
»Sende einen Botschafter, dem du vertrauen kannst, zu dem Kastellan von Warhurst. Er soll morgen beim ersten Tageslicht eine große Streitmacht aussenden, dann wird er die Gesetzlosen fangen.«
»Wird das klappen?«
»Ja. Wenn er sie uns zutreibt, kann er mit dem Rest der Bande machen, was ihm gefällt.«
Reina wandte sich ab, ehe Ranulf sie bemerkte. Vermutlich hätte er sie sowieso nicht gerufen, denn er hatte nur Blutvergießen im Sinn. Nie zuvor hatte sie ihn in einem solchen Ton reden hören, doch sie ahnte, daß sie von seinen Plänen für morgen lieber nichts wissen wollte. Die Gesetzlosen hätten ihr leid tun können, wenn sie nicht längst schon überfällig gewesen wären.
33
Der bedeckte Himmel hielt die
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