Fesseln der Leidenschaft
des Gefechts kein Gewicht.«
»Ich habe mein ganzes Dasein mit meiner Kraft gelebt. Anfangs hatte ich Angst, die Lady auch nur anzurühren, weil sie so winzig ist. Nie könnte sie etwas sagen oder tun, was mich das vergessen ließe. Also brauchen Sie sich um sie keine Sorgen zu machen. Sie wird nur meine flache Hand auf ihrem Hinterteil spüren.«
Hugh lachte leise. »Eine Methode, die ich selbst auch manchmal angewandt habe.«
»Hilft sie?«
»Ja, doch das Ergebnis ist nicht immer das monatelange Bedauern wert, das eine Frau in dir entstehen lassen kann – das heißt, wenn sie dir am Herzen liegt.«
Ranulf grinste. »Dann findest du einen Rat vielleicht interessant, den ich von einer Hure bekommen habe … «
Reina war nur bis in das Vorzimmer gegangen, wo sie auf und ab schritt, um ihren Zorn abzukühlen. Als sie das tiefe Lachen hörte, blieb sie stehen und entspannte sich. Ihr Einsatz hatte sich also gelohnt. Lächelnd ging sie nach unten, in der Gewißheit, keine Strafe mehr fürchten zu müssen.
40
Reina verrichtete ihre Pflichten an diesem Nachmittag mit einer gewissen Selbstgefälligkeit. Die Tatsache, daß Ranulf seinen Vater zu einer Besichtigungstour außerhalb des Schlosses mitgenommen hatte, verstärkte dieses Gefühl noch. Er mochte ihre Methoden zwar nicht, aber sie brachten Erfolge. Er hatte sich mit seinem Vater versöhnt. Die Bitterkeit, die lange in ihm geschwärt hatte, war verflogen und ließ ihn als glücklichen Menschen zurück, mit dem auch leichter umzugehen war. Hätte Reina sich selbst auf den Rücken klopfen können, dann hätte sie es gemacht.
Sie verbrachte einige Zeit bei Walter und erzählte ihm, was gestern und heute geschehen war. Um seine Wunden brauchte sie sich nicht mehr zu sorgen. Er hatte kein Fieber bekommen, und Florette kümmerte sich rührend um ihn. Das war wohl ein Hauptgrund, warum er sich nicht über die nötige Bettruhe beschwerte. In einer Woche würde er wohl aufstehen und herumgehen können – am Anfang natürlich mit Vorsicht und Geduld.
Die Neuigkeiten über die Gefangenen, Warhurst und Lord Richard überraschten Walter. Reina konnte seine Fragen nicht beantworten, denn sie wußte nicht, ob Ranulf einen Mann nach Warhurst geschickt hatte. Wahrscheinlich hatte er es über den Ereignissen dieses Morgens vergessen.
Reina konnte noch immer nicht glauben, daß Lord Richard ein verachtungswürdiger Tyrann war. Sie sprach selbst mit dem Anführer der Gesetzlosen, und seiner offenen Art gelang es, Reina ein paar Zweifel einzuimpfen, aber nicht genügend, um Gewicht zu haben. Seine Ausführungen liefen ihrem eigenen Instinkt zuwider, der sie selten im Stich ließ, und auch der vortrefflichen Menschenkenntnis ihres Vaters, die noch unfehlbarer gewesen war. Ihr Vater hatte Richard geschätzt und ihn als Gatten für Reina gutgeheißen. Sie konnten sich nicht beide so sehr in dem Menschen getäuscht haben.
Reina brütete nicht lang darüber. Sie dachte an anderes, vor allem an ihren Mann. Sie wollte Ranulf nicht vergessen lassen, daß er ihr Dank schuldete, zumal er sie beinahe bestraft hätte, anstatt sie zu loben. Er würde es nicht zugeben, aber sie hatte gewußt, daß er unter der ablehnenden Oberfläche tiefe Gefühle für seinen Vater hegte. Sonst hätte Hugh ihn auch nicht verletzen können.
Reina war gerade in der Halle, als die beiden zurückkehrten, und hatte Gelegenheit, sie unbemerkt zu beobachten. Ihr verändertes Verhalten war beachtlich. Sie lachten, berührten sich, als seien sie nie getrennt gewesen; sie wirkten wie Brüder, nicht wie Vater und Sohn. Hugh war ja auch noch keine vierzig Jahre alt, ein Mann, den jedes junge Mädchen mit Begeisterung ansehen mußte – ebenso wie Ranulf –, und genau das taten alle Frauen in der Halle. Reina fand, daß sie sich immer noch nicht ganz daran gewöhnt hatte.
Auf ihr Nicken hin erschien ein Diener mit einer Platte voller Zuckerwerk und Käse. Reina hatte nicht vergessen, daß die beiden Männer ihr Mittagsmahl nicht angerührt hatten, und bis zum Abendessen dauerte es noch eine Weile. Sie selbst hatte ihren Hunger in der Küche gestillt, wo sie auch Lady Ella aufgesammelt hatte. Ein kleiner Teufel in Reinas Innerem ließ sie mit dem Gedanken spielen, die Katze Ranulfs Vater vorzustellen. Was sie davon abhielt, war das Risiko, Hugh könnte es nicht lustig finden, daß Ranulf diesen Namen für sein räudiges Vieh gewählt hatte. Sie wollte das Boot nicht zum Schlingern bringen, das sie auf so einen
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