Fesseln der Leidenschaft
verächtlich. »John ist zu sehr beschäftigt mit seinen Machenschaften, Richard die Krone zu entreißen. Davon ist er besessen, seit der Vater der beiden starb. Glauben Sie, ihn würde irgendeine harmlose Beleidigung einer unehelichen Schwester kümmern? Nein, Lady, mein jüngerer Sohn gibt sich der Illusion hin, Einfluß bei Hof zu haben, aber er irrt, und auch seine Mutter hat keinen Einfluß mehr. Der Mann, den sie heiratete, war einmal mächtig; aber damit war Schluß, als Richard Löwenherz König wurde. Was mein Sohn besitzt, hat er von mir.«
»Was wollen … was können Sie dann tun? Durch Ihre eigene Großzügigkeit gehört ihm Warhurst.«
»Nein, nicht ganz. Anders als Farring Cross, das vorbehaltlos überschrieben wurde, hängt Warhurst noch mit Lyonsford zusammen, und das bleibt so bis zu meinem Tod. Mein Fehler war, Richard die Verwaltung von Warhurst anzuvertrauen, in der Hoffnung, daß die Verantwortung dazu beitragen würde, in ihm einen ehrenhafteren Charakter oder wenigstens eine gewisse Rechtschaffenheit zu entwickeln. Statt dessen besticht er den Haushalter, den ich als seine Stütze engagiert habe, und eifert seinen allmächtigen Verwandten auf das übelste nach.«
»Aber was ist mit dem Kastellan, Chaucer? Wir haben mit ihm verhandelt.«
Hugh schüttelte den Kopf. »Chaucer war mein Verwalter, Lady Reina. Richard war der Kastellan.«
»Was, dieser Lügner!« sagte Reina entrüstet. »Er ließ jeden in der Gegend glauben, er sei der Herr von Warhurst.«
Ranulf lachte leise über ihren Groll. »Keine Aufregung, Lady, Sie wurden von einem Experten hereingelegt, der von den größten Betrügern des Landes lernte. Es ist nicht Ihr Fehler, daß Sie seine Falschheit nicht durchschauen konnten.«
»Das können Sie leicht sagen«, gab sie heftig zurück. »Sie haben ihn ja nicht beinahe geheiratet.«
Ranulf grinste. »Das will ich doch hoffen.«
Hugh mischte sich schnell ein. »Jedenfalls werden Sie mit meinem jüngeren Sohn keine Schwierigkeiten mehr haben, Lady.« Dann lächelte er. »Dasselbe kann ich von diesem hier natürlich nicht garantieren. Gerade eben wird Richard zu einem meiner Vettern nach Irland gebracht, zu einem Mann, der Unehrenhaftigkeit nicht duldet. Ein paar Jahre dort müßten Richard verwandeln – das hoffe ich wenigstens.«
»War er tatsächlich einverstanden, dorthin zu gehen?«
»Ich habe ihn nicht gefragt«, erwiderte Hugh nüchtern.
»Oh, gut, das löst ein Problem, ausgenommen … «
»Das löst alle Probleme, Reina«, unterbrach Ranulf sie scharf. »Gehen Sie jetzt zu Bett. Ich folge Ihnen bald.«
Sie preßte die Lippen zusammen. Einfach weggeschickt zu werden, stachelte Reinas Kampfeslust an. Der Mann mußte endlich lernen, sich zu benehmen. Doch plötzlich fiel ihr ein, welcher Katastrophe sie heute morgen knapp entronnen war, und sie beschloß, ihn heute nicht mehr zu provozieren.
Doch den ganzen Tag schon hatte sich ein kleiner Teufel in ihr geregt, und dieses verruchte Biest veranlaßte sie, auf ihrem Weg zur Tür zu entgegnen: »Meinetwegen brauchen Sie sich nicht zu beeilen, mein Herr. Wenn Sie kommen, werde ich fest schlafen.«
»Nein, das werden Sie nicht, denn wir haben noch etwas zu erledigen, falls Sie sich erinnern.«
Sie öffnete den Mund und schloß ihn sofort wieder. Nein, das konnte er nicht meinen – nicht das !
Er meinte es doch! Gleich, nachdem er das Schlafzimmer betreten hatte, fragte Ranulf: »Haben Sie sich vor diesem Moment gefürchtet, Lady? Sie brauchen nicht zu antworten. Ihr heutiges Verhalten spricht für sich. Aber Sie haben falsche Schlüsse gezogen – aus welchen Gründen auch immer.«
Reina saß auf einem Stuhl neben dem Kamin und kämmte ihr Haar. Ranulf ging zum Bett hinüber und nahm die gleiche Position ein wie am Morgen. Die junge Frau sah ihn entsetzt an.
»Kommen Sie, Reina«, sagte er in zwanglosem Ton. »Das wird nicht lange dauern.«
Oh, einfach so? Dieser Lümmel, dieses Scheusal! Wie konnte er es wagen, bei seinem Vorhaben so ruhig zu bleiben?
»Und wenn ich mich weigere?«
»Dann wird es nur länger dauern, viel länger.«
Er zählte wohl die Zeit nicht mit, in der er sie durch das Zimmer würde jagen müssen. »Wenn ich Ihnen heute morgen Ihren Willen gelassen hätte, wären Sie jetzt nicht mit Ihrem Vater versöhnt«, stellte sie bitter fest. »Ist das gar nichts wert?«
»Der Zweck heiligt nicht die Mittel, Reina. Sie ignorierten meine Wünsche völlig und zwangen mich, Ihre zu akzeptieren. Was wir
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