Fesseln der Leidenschaft
aufhalten.«
Er sprach kein Wort zu Reina und blickte sie auch nicht an, sondern konzentrierte sich auf den Knoten, den er lösen wollte. Lanzo hatte sich neben sie niedergekniet, und sie streckte ihm ihre Beine ungefragt entgegen, die sie vorher untergezogen hatte. Bei dieser Gelegenheit verlor sie das Gleichgewicht ein wenig, und der lose Träger ihres leichten Gewandes rutschte auf der einen Seite über ihren Arm.
Kühle Luft auf nackter Haut ließ Reinas Wangen erröten. Die junge Frau hätte nicht verlegener sein können, wenn sie völlig nackt dagesessen hätte, denn das wäre beabsichtigt gewesen, um sie zu demütigen und zu benachteiligen. So aber war die Entblößung versehentlich geschehen, und deshalb erschien sie noch peinlicher, obwohl sie bisher noch nicht bemerkt worden war. Als Reina versuchte, die Hände zu heben, um den Träger zurückzuschieben, ließ der dumme Riese ihre Hände nicht los.
Ein Blick zur Seite zeigte Reina, daß der Junge aufmerksamer war als der Mann. Er stand wie gelähmt da, mit gierigen Augen und offenem Mund. Aber er war nur ein Junge, sagte sich Reina, und dennoch vertiefte sich ihr Erröten. Es waren die Augen des Mannes, denen sie sich entziehen wollte. Es erwies sich jedoch als Fehler, die Schulter zu bewegen, denn nun trat noch mehr Haut zutage.
Verzweifelt versuchte Reina erneut, die Hände zu heben, und als Ergebnis setzte der Horror nun vollends ein. Fitz Hugh hob irritiert den Blick, doch er kam nur bis zur Höhe ihrer nackten Brust, die ihm direkt ins Auge stach.
Reina stöhnte unter ihrem Knebel, doch niemand beachtete es. In seiner Überraschung zog der Riese die Handfesseln der jungen Frau noch fester zu. Er und der Knabe starrten auf die Brust, als hätten sie noch nie eine gesehen. Reina konnte nicht einmal versuchen aufzustehen und den beiden den Rücken zuzudrehen. Selbst wenn der Mann ihre Hände losgelassen hätte, wäre die junge Frau beim Aufrichten mit ihrem Busen direkt in Ranulfs Gesicht geraten. Das hätte zwar sein Starren vermutlich beendet, doch er hätte es als eine Einladung auffassen können …
Schließlich war es Lanzo, der Reina zu Hilfe kam, obwohl es ihn offensichtlich Mühe kostete. Seine Wangen hatten eine glühend rote Farbe angenommen, als er erkannte, daß Reina sich nicht selbst helfen konnte. Seine Hand bewegte sich zögernd mit ausgestrecktem Daumen und Zeigefinger. Zitternd und vorsichtig, als bedeute es den Tod, Reinas Haut zu berühren, legte er den dünnen Stoffträger wieder auf die Schulter der jungen Frau zurück.
Daß das Oberteil dabei an ihrer Brustspitze hängenblieb und diese sich aufrichtete, ehe sie von dem zarten Gewand bedeckt wurde, bemerkte nur der Mann, der seinen Blick noch nicht losgerissen hatte. Reina war erleichtert, nun wieder halbwegs anständig gekleidet zu sein. Nicht einmal die veilchenfarbenen Augen, die für eine Sekunde ihre hellblauen trafen, konnten sie nun noch verwirren. Der Schaden war angerichtet. Am besten vergaß sie es.
Doch sie überlegte, was mit dem ärgerlichen Gesicht passiert war, als Ranulf sie kurz angesehen hatte. Auch verärgert war Ranulf Fitz Hugh noch hübsch, gedankenverloren wirkte er fantastisch. Sie mochte das ärgerliche Gesicht lieber. Sie konnte leichter atmen, wenn der Mann ihr nur hübsch erschien – warum das so war, wußte sie nicht.
Sein mürrischer Ausdruck kehrte zurück, als die Fesseln sich nicht lösen ließen. Schließlich zog Ranulf seinen Degen und schnitt die Verschnürung durch. Auch Reinas Füße und ihr geknebelter Mund waren nun wieder frei.
Wenn er sein Schwert nur gleich benützt hätte, dachte Reina aufgebracht, dann hätte es diesen peinlichen Vorfall zwischen ihnen nicht gegeben. Sie hatte jedes Recht, ihm anzukreiden, was er ihr angetan hatte, doch momentan wünschte sie nur, er würde gehen.
Das tat er jedoch nicht. Er zog sich den Stuhl heran und nahm vor ihr Platz. Daß er ihr die Sitzgelegenheit nicht angeboten hatte, war nach seinem sonstigen Benehmen zu erwarten gewesen. Der Mensch war der unritterlichste Edelmann, der ihr je begegnet war. Wenn er glaubte, sie würde in der demütigen Position zu seinen Füßen verharren, dann war er verrückt.
Reina ignorierte ihn kurz und rieb ihr Kinn, um es wieder beweglich zu machen, nachdem sie den Knebel ausgespuckt hatte. Sie rieb auch ihre Handgelenke, ehe sie sich langsam erhob. Mit soviel Würde, wie sie – unfrisiert und äußerst leicht bekleidet – aufbringen konnte, ging sie zu der
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