Fesseln der Leidenschaft
Verstimmung. An der Oberfläche wirkte Reina gelassen und heiter, zu heiter – Ranulf fühlte förmlich die Ausstrahlung ihrer starken inneren Erregung.
»Ist etwas geschehen, das ich wissen sollte?« überlegte er laut.
Die Frage schien sie zu verblüffen. »Was Sie … Das wissen Sie doch besser als ich, mein Lord.«
Was sollte das nun wieder heißen? »Schon gut.« Er seufzte. »Sagen Sie jetzt bitte, was Sie mir sagen wollten, ehe ich zu müde bin zuzuhören.«
Reina ballte die Fäuste hinter ihrem Rock. Das Gespräch verlief nicht so, wie sie es vermutet hatte. Warum verhielt er sich nicht wie erwartet? Er wußte, daß sie ihn gesehen hatte. Er hätte alle möglichen Entschuldigungen für seine Gegenwart im Haus der Roten Alma Vorbringen können, wenn er nicht die Hand auf ihren großen Busen gepreßt hätte. Das ließ nur einen Grund für seinen Besuch zu.
War es ihm denn egal, daß sie es wußte? Oder dachte er, sie würde es nicht wagen, ihm seine Tat vorzuhalten oder diese auch nur zu erwähnen? Die meisten Frauen würden es allerdings nicht wagen; sie hätten Angst vor Schlägen, wenn sie sich über das falsche Verhalten ihres Mannes beschwerten. Dank ihres Ehevertrages hatte Reina diese Furcht nicht, doch auch ohne diesen Vertrag hätte nichts sie davon abhalten können, ihren Gatten zu beschimpfen, wenn er es verdiente.
Aber jetzt noch nicht. Sie wollte zuerst herausfinden, ob seine Unbekümmertheit gespielt war.
»Sehr gut, mein Lord. Das wird nicht zuviel Zeit in Anspruch nehmen. Ich brauche nur ein paar Entscheidungen von Ihnen. Als erstes: Wir haben ein Kaufangebot, betreffend die Vormundschaft über die de Burgh-Erbin. Simon überbrachte mir den Brief von einem seiner Nachbarn, einem jungen Lord, den er für fähig hält, die Besitztümer des Mädchens zu verwalten. Ich wollte das nicht erwähnen, ehe alle unsere Gäste abgereist waren.«
»Dann hat Ihr kleines Lordchen unsere Gefilde verlassen?«
Ihre Lippen wurden schmal bei seinem abfälligen Ton. »Ja, Lord John brach heute morgen auf.«
»Ich hoffe, Sie haben ihm von mir eine gute Reise gewünscht. Schließlich bin ich nett zu denen, die mir unterliegen.«
»Er unterlag nicht Ihrer Person, sondern aufgrund seiner Verspätung«, sagte sie bissig. »Und nachdem er von seinem Verlust nichts weiß, können Sie sich Ihre Nettigkeit sparen. Außerdem hätten Sie ihn gewiß nicht mit Freundlichkeit überschüttet, wenn sie dagewesen wären. Es ist schwierig, Höflichkeit zu erkennen, wenn man angeknurrt wird.«
»Ich knurre nicht, Lady.«
»Wie Sie meinen«, entgegnete sie zuckersüß, und sein Knurren klang ihr noch in den Ohren.
Er überraschte sie durch sein leises Lachen. »Wenigstens quieke ich nicht wie Ihr kleiner Mäuserich.«
»Er ist kein … « Sie preßte die Lippen zusammen und betrachtete ihn finster. »Sehr witzig, mein Lord. Könnten wir jetzt auf unser Thema, die Vormundschaft, zurückkommen?«
»Wieviel wird geboten?«
»Vierhundertfünfzig Mark und zwei edle Reitpferde.«
»Warum so viel?«
»Es ist nur eine kleine Summe, wenn man die beider Herrensitze bedenkt – zu denen jeweils ein Dorf gehört – die einhundertfünfzig Mark Pacht jährlich abwerfen, zuzüglich das Einkommen der Bauernhöfe, das noch wesentlich mehr ausmacht. Zudem müssen Sie das Alter des Kindes von nur knapp zwei Jahren bedenken. Bis die Kleine heiratet und ihr Vermögen einem Ehemann zufällt, vergeht noch eine lange Zeit. Das bedeutet einen beträchtlichen Profit für denjenigen, der ihre Güter verwaltet.«
»Warum dann überhaupt verkaufen?»
»Ich schlage nicht vor, daß Sie verkaufen. Ich schlage überhaupt nichts vor. Ich erwähnte nur ein Angebot, das beantwortet werden muß. Irgend etwas sollten wir unternehmen. Die Witwe hat einen Verwalter und mehrere Ritter und kommt allein ganz gut zurecht, aber bisher gab es auch keine Probleme.«
»Dann schlagen Sie also doch vor, daß ich die Vormundschaft verkaufe?«
»Nein, das tue ich nicht«, widersprach sie zähneknirschend. »Simon mag seinen Nachbarn kennen, aber wir kennen ihn nicht. Und es gibt bessere Möglichkeiten für uns.«
»Vielleicht könnte ich einen eigenen Verwalter ernennen. Aber wenn man diese Leute nicht streng überwacht, wirtschaften sie in die eigene Tasche. Ich könnte das Kind auch schon mit jemandem verloben, der das Vermögen verwaltet, bis es ihm sowieso gehört.«
Reina war erstaunt, daß er seine Möglichkeiten kannte, aber er erwähnte die eine nicht,
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