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Fesseln der Unvergaenglichkeit

Fesseln der Unvergaenglichkeit

Titel: Fesseln der Unvergaenglichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Kolb
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überließ sich ihren Empfindungen. Als der Abendspiell eiter sich über sie beugte, erschrak sie. »Aiyana, in zehn Minuten ist es so weit.«
    Sie stand auf. Die Bühne lag bereits leer vor ihr. Schnell stellte sie sich in die Seitenkulisse. Das letzte Einstimmen der Instrumente stachelte ihre Nervosität an. Ihr Blut pochte, mit zittrigen Händen prüfte sie die Bänder ihrer Spitzenschuhe. Die letzten Minuten vor dem Beginn erschienen ihr endlos. Das Gemurmel der Zuschauer drang von weit weg an ihr Ohr. Wie ein Gestaltenwandler hatte sie ihre neue Identität bereits angenommen und wartete ungeduldig darauf, als Giselle ihre Liebe wiederzufinden, die ihr im Leben so grausam entrissen wurde. Sie atmete auf, als die Ouvertüre erklang. Ihr Herz schlug einen wilden Trommelwirbel. Ihre Beine knickten unter ihr ein. Wie konnte sie das Ballett durchstehen, wenn sie kaum aufrecht stehen konnte? Sie beobachtete, wie die Bauernmädchen die Bühne betraten. Ungeduldig zählte sie die Takte der Musik und betrat die Bühne mit der zweiten Fanfare. Hilarion begrüßte sie und in einem gemeinsamen Tanz drehten sie sich zwischen den Dorfbewohnern. Sobald Albrecht auftauchte, eilte sie zu ihm hin. Sie fühlte sich glücklich, spürte die Hände, die sie berührten und erlebte die nie enden wollende Glut einer Liebe, die jede Grenze sprengt. Sie tanzten ihren ersten Pas de deux. Aiyana hob ihre Arme über den Kopf, als Viorel sie hinaustrug und in der Kulisse abstellte. Neben dem Inspizientenpult stand ein Mann und folgte dem Ballett von der Seite aus. Aiyana erschrak und wich zurück. Doktor Weser stand in seiner Arztuniform vor ihr. Sie hielt sich an Viorel fest, der ihr Erschrecken nicht bemerkte und sie anlächelte. »Das ist uns gut gelungen.«
    »Der Theaterarzt.« Weiter kam sie nicht.
    Viorel zuckte mit der Schulter. »Ich hoffe, wir brauchen ihn heute Abend nicht.« Er drehte sich um und ging für seine Sprungkombination wieder auf die Bühne.
    Aiyana stand gefangen zwischen der Bühne und Doktor Weser im Seitengang. Sie zitterte vor Angst und hörte auf die Musik. Sie musste gleich wieder raus. Sie spürte den Blick des Theaterarztes und erbebte. Verzweifelt blickte sie über ihre Schulter, um sich zu vergewissern, dass er sich ihr nicht näherte. Er stand am gleichen Platz. Sie drehte sich um, zählte die Takte der Musik und betrat mit klopfendem Herzen die Bühne. Hier konnte der Arzt sie nicht erreichen. Zitternd stellte sie sich in den Kreis der Bauern. Albrecht gestand ihr seinen Verrat. Aiyana rannte einmal rund um den Kreis und öffnete dabei ihre Haare. Sie verharrte und lief rückwärts bis in die Mitte. Ihre Verzweiflung übernahm die Führung. Sie erhob sich auf ihre Spitzen und taumelte, indem sich ihr Körper hin und her wog. Die Hauptmelodie erklang. Die Bläser führten sie mit verzerrten Disharmonien immer näher an den Abgrund heran. Sie rannte durch den Kreis der Tänzer, taumelte in der Mitte und brach zusammen, wie das Ballett es vorschrieb. Sobald sie auf dem Boden lag, durchfuhr ein sengender Schmerz ihren linken Knöchel. Ihr fallendes Gewicht hatte den Fuß ver letzt. Der Vorhang schloss sich für die Pause. Aiyana setzte sich auf und versuchte ihren Fuß zu bewegen. Der Schmerz war erträglich. Sie stand auf und humpelte ein paar Schritte. »Was hast du?« Viorel kam auf sie zu. »Bist du in Ordnung?«
    »Ich habe mir den Knöchel verdreht.«
    »Du musst sofort Eis darauf tun, um es zu kühlen. Warte hier.« Viorel ging von der Bühne und kam mit Doktor Weser zurück.
    »Mrs. Dealtry, kann ich Ihnen helfen?« Er sah sie besorgt an.
    »Nein, es geht sehr gut, danke. Der Schmerz ist schon verschwunden.«
    »Bist du sicher?« Viorel wirkte überrascht.
    »Ja, wirklich, es geht mir gut.«
    »Zum Glück. Dann werde ich hochgehen und mich umziehen.«
    Aiyana rieb sich über den Knöchel. »Es muss an meinem Schuh gelegen haben, nun ist es vorbei.«
    Sobald Viorel verschwunden war, beugte sich Doktor Weser zu ihr herunter. »Ich muss unbedingt mit dir reden. Du befindest dich in großer Gefahr. Das letzte Mal, als wir uns gesehen haben, hast du mich verbrannt. Ich bin dir nicht böse, du hast es nicht mit Absicht getan. Aber ich möchte dir gern helfen und dir erklären, warum das passiert ist.«
    Aiyana wich zurück. »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.« Sie hätte sich am liebsten aufgelöst.
    »Ich spreche davon, dass du ein Symbol auf dem Rücken hast.«
    Aiyana sah ihn böse an. »Es ist ein

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