Fesseln des Herzens
gedacht, dass es so schnell gehen würde. Habt ihr überhaupt die Richtige mitgebracht?«
»Sie sieht doch wie eine Schäferin aus, oder?«
Abernathy musterte Aimee kurz, dann befahl er: »Holt sie vom Pferd.«
Die Männer taten wie geheißen und ließen es sich nicht nehmen, dabei auch Stellen von Aimees Körpers zu berühren, an denen ihre Hände nichts zu suchen hatten.
Der Hauptmann trat näher. Unter anderen Umständen hätte Aimee ihn vielleicht für einen freundlichen Mann gehalten, aber jetzt lag ein Lächeln auf seinen Lippen, das sie erschaudern ließ.
»Wie ist dein Name, Mädchen?«, fragte er und strich ihr lüstern über die Wange.
Der jungen Hebamme krampfte sich der Magen zusammen, und sie drehte das Gesicht weg.
Abernathy griff daraufhin grob nach ihrem Kinn und drehte ihr den Kopf herum, so dass sie ihn anschauen musste.
»Wie heißt du, Hexe?«
»Nenn du mir zuerst deinen Namen, dann sage ich dir meinen!«, entgegnete sie.
Der Blick des Hauptmanns wurde zornig, doch bevor er die Hand hochreißen und ihr eine Ohrfeige versetzen konnte, erklang hinter ihm eine Stimme.
»Sie heißt Aimee. Deine Männer haben die Richtige gefunden.«
Aimees Herzschlag setzte für einen Moment aus, als sie den Mann erkannte, der hinter dem Soldaten auftauchte.
»Henry Fellows«, flüsterte sie. Ihr Verdacht bestätigte sich, obwohl es ihr lieber gewesen wäre, wenn die Ursache für sein Verschwinden eine andere gewesen wäre.
Wenn George of Ravencroft das erfuhr, würde er gewiss ebenso wenig Gnade mit seinem abtrünnigen Leibwächter kennen, wie er mit dem Verräter gehabt hatte.
»Nun, dann sollten wir sie dem Baron vorführen!« Woodwards Hauptmann ergriff sie am Arm und zerrte sie dann mit sich.
Sie marschierten durch einen langen Gang, der von rußenden Fackeln erhellt war. In einer Halle angekommen, die dem großen Saal der Burg in der Baronie Ravencroft ähnelte, machten die Soldaten mit ihr halt.
Aimee ließ den Blick angstvoll schweifen. Was für ein freudloser Ort dies doch war! Das zuckende Fackellicht reichte nicht aus, um die Halle vollends zu erhellen. Die Teppiche an der Wand bauschten sich ein wenig durch den Windzug, der durch die Fenster hereinwehte, und die Schatten tanzten wie Geister über die groben Steinwände.
An solch einem Ort konnte das Herz eines Mannes nur hart und kalt werden!
Der Stuhl, auf dem der Baron sonst thronte, war leer. Das Polster wirkte niedergesessen, und der dunkelrote Samt war leicht abgeschabt.
Lange ließ Baron Woodward jedoch nicht auf sich warten. Einer der Soldaten hatte sich sogleich auf den Weg gemacht, um seinem Herrn die Nachricht zu verkünden.
Wenig später tauchte er auf, in rote Gewänder gehüllt wie ein König. Sein plumper Leib und seine von Müdigkeit gezeichneten Gesichtszüge hatten allerdings nichts Majestätisches. Dennoch hätte man jeden närrisch schelten müssen, der geglaubt hätte, von diesem Mann gehe keine Gefahr aus. Seine Augen wirkten lauernd wie die eines Raubtieres.
Als sein Blick auf Aimee fiel, überlief es sie eiskalt. Auf einmal schien es, als würden seine hasserfüllten Worte erneut in ihren Ohren dröhnen.
Woodwards Gesicht nahm einen triumphierenden Ausdruck an, als er ihre Angst bemerkte.
»So sieht man sich also wieder, Schäferin. Für einen kurzen Moment hast du vielleicht davon geträumt, dass dein Leben immer so glücklich weitergehen würde, aber diese Zeiten sind vorbei. Dein Herr wird dich nicht länger vor meinem Zorn schützen.«
Aimee erwiderte darauf nichts. Sie ahnte, was Woodwards wahre Absicht war, und blickte zu Fellows hinüber, der jetzt neben dem Baron stand und es nicht länger fertigbrachte, sie anzusehen.
Dann sagte sie: »Wenn Ihr glaubt, George of Ravencroft würde kommen und mich befreien, dann irrt Ihr!«
Für einen Moment wirkten Woodward und Fellows überrascht, wahrscheinlich hatten sie nicht geglaubt, dass Aimee sie so schnell durchschauen würde.
Die Schäferin wusste, dass es ihre Lage nicht verbesserte, dennoch fuhr sie fort: »Er ist seinem Lehen verpflichtet und wird wegen mir keinen Finger krumm machen! Ich bin nur eine einfache Untertanin.«
»Das ist nicht wahr!«, ging Fellows dazwischen. »Ich habe mitbekommen, wie die beiden miteinander umgegangen sind. Ich sage Euch, Mylord, Ravencroft wird kommen und die Frau befreien wollen.«
»Das wird er nicht, Fellows!«, entgegnete Aimee. »Ich mag ihn geheilt haben, aber er wird nicht das Wohl seiner Ländereien
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