Fesseln des Herzens
sie, dass sie warm waren. Warm und stark, wie es sich für einen Mann gehörte, dem es nicht an Kraft fehlte, ein Schwert zu führen.
»Ich hoffe, Eure Gemahlin befindet sich wohl?«
Der Baron warf einen Blick auf die Schlafende. »Das tut sie. Sieh selbst.« Damit führte er Aimee zu dem breiten Bett. Die Laken waren neu, der zarte Körper der Wöchnerin in ein feines Hemd gehüllt. Sie war noch immer recht blass, aber der Schlaf zauberte eine leichte Röte auf ihre Wangen. Ihr Haar war gekämmt und auf dem Kissen ausgebreitet worden wie ein Schleier.
Aimee erinnerte sie ein wenig an eine der Gestalten aus den Märchen, die ihre Mutter ihr früher erzählt hatte.
»Und dafür bin ich dir sehr dankbar«, sagte der Baron und stellte sich neben die Wiege. »Was meinst du, soll ich einen Astrologen herbeordern? Unser König hat einige von ihnen aus dem Heiligen Land mitgebracht.« Für einen kurzen Moment zog ein finsterer Schatten über sein Gesicht.
Aimee bemerkte ihn und fragte sich, was er zu bedeuten hatte. Sorgte er sich um die Zukunft seiner Tochter?
»Sterne sind trügerisch, Mylord«, entgegnete sie dann, während sie den Blick über das schlafende Kind schweifen ließ. Das Mädchen wirkte gesund. Es hatte Haare auf dem Kopf, die wie eine schwarze Haube aussahen. Ein kleiner Rabe, dachte die Schäferin, angelehnt an den Spitznamen, den die Leute im Dorf ihrem Baron gegeben hatten. Dank seines schwarzen Haars nannte man ihn hinter vorgehaltener Hand »the raven«.
»Einmal strahlen sie hell, dann wieder verstecken sie sich hinter Wolken. Gewiss beantworten sie keine Frage, die man ihnen stellt, sonderlich genau«, fügte sie hinzu, als sie den Baron ansah.
»Was schlägst du vor, um die Zukunft meines Kindes vorherzusagen?«, fragte er.
»Man muss einem Menschen aus der Hand lesen«, entgegnete Aimee freimütig und bedachte erst hinterher, dass sie diese Antwort in Schwierigkeiten bringen könnte. Immerhin hatte man ihre Mutter auch für eine Hexe gehalten. Seit einiger Zeit reisten heilige Männer durch die Lande, mit dem Ansinnen, die Zauberei auszumerzen. Es galt, vorsichtig zu sein, auch wenn der Baron dankbar für ihre Tat war. Daher fügte sie hinzu: »Später, wenn sie die Taufe erhalten hat und älter ist.«
»Was willst du da sehen?«
»Jeder Mensch hat Linien in der Handfläche. Es heißt, dass darin der Weg eines jeden vorgezeichnet ist. Man muss nur ihre Bedeutung herauslesen.«
»Darauf verstehst du dich?«
Aimee durchlief es siedend heiß. »Ein wenig.« Errötend senkte sie den Blick.
Just in dem Augenblick regte sich das kleine Mädchen, und Aimee legte einen Finger auf die Lippen, als der Baron anhob, etwas zu sagen. Er schwieg und führte sie durch eine kleine Tür in die Kammer nebenan.
Sie hatte deutlich geringere Ausmaße als das Schlafgemach und wurde wohl als Studierzimmer genutzt. Vor einem der Fenster stand ein Schreibpult, unberührtes Pergament lag darauf, ein silbernes Tintenfass stand neben einigen schneeweißen Gänsefedern, und auf dem Boden lagen einige dicke Folianten. Die Teppiche an den Wänden zeigten eine Jagdszene, in der ein Keiler zur Strecke gebracht wurde.
In der Mitte des Raumes angekommen, betrachtete George of Ravencroft Aimee erneut, und ein merkwürdiges Sehnen bemächtigte sich seines Körpers. Die Schäferin war auf irgendeine Weise anders als die Frauen, die er kannte. Sie strahlte Lebensfreude aus und Kraft. Mit einem Mal stellte er sich vor, wie sie nackt aussehen und wie sich ihre Miene vor Lust verziehen würde, wenn ein Mann ihr beiwohnte.
Aimee spürte, dass der Baron mit seiner Beherrschung kämpfte. »Ihr solltet Euch nach einer gesunden Amme umsehen«, sagte sie deshalb. »Sie wird Eurer Tochter Kraft geben. Eure Gemahlin wird sich noch schonen müssen.«
Ravencroft senkte den Blick auf ihren Busen und hob die Hände. Sie wusste, dass sie sich nicht wehren durfte, als er die Bänder ihres Mieders ergriff und sie zusammenband, jedoch nicht ohne mit den Fingerkuppen kurz und wie zufällig die weichen Rundungen zu berühren.
»Wie steht es mit dir?«, fragte er und sah ihr direkt in die Augen. »Du bist gesund und anscheinend von gutem Blut.«
Die Schäferin lachte kurz auf, ein Laut, der unwillkürlich aus ihrer Kehle drang, denn sie wusste sehr wohl, dass sie sich das nicht erlauben durfte. Trotzdem konnte sie nicht anders. Wie unbedarft die Männer doch in diesen Dingen waren!
»Nein, Mylord, tut mir leid«, sagte sie mit glänzenden
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