Fesseln des Herzens
ihrem zukünftigen Patenkind machen wollte.
Damit stapfte sie jetzt in die Burg.
In der Annahme, dass sie wieder in den Kammern der Mägde untergebracht war, ging sie grüßend an der Küche vorbei, in der es nur so vor Leuten wimmelte und aus der ihr ein betörender Duft entgegenwaberte. Aimee sog ihn tief in ihre Lungen, entdeckte das Aroma von Kräutern und die Süße von Honig, die ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen ließen.
Auf halbem Wege zu der Mägdekammer kam ihr die Kammerfrau der Baronin entgegen. Sie hatte sich offenbar schon dem Anlass entsprechend umgezogen, denn sie raffte sorgfältig ihren Rock aus feinem blauen Leinenstoff, damit er auch ja nicht mit den schmutzigen Steinen am Boden in Berührung kam.
»Sei gegrüßt, Celeste«, rief Aimee fröhlich, während sie das Gewand bewunderte. Es war mit gewebten Bordüren verziert und an den Enden der Bänder, die die seitlichen Schnürungen zusammenhielten, glitzerten kleine Glasperlen.
»Endlich bist du da!«, entgegnete die Kammerfrau aufgeregt, ohne ihren Gruß zu erwidern. »Wo willst du denn hin?«
»In mein Quartier«, entgegnete die Schäferin verwundert. »Ich wollte mich auf die Taufe vorbereiten.«
»Du kannst doch nicht in die Mägdekammer!«, rief Celeste und schlug die Hände vor der Brust zusammen. »Der Baron hat befohlen, dich in den oberen Gemächern unterzubringen.«
Aimee raffte ihr Bündel an sich, als sei es ein Schild. »Ich gehöre nicht nach dort, Celeste, das weißt du.«
»Mag sein, aber der Baron hat es so angeordnet. Und jetzt komm, du willst Mylord doch nicht erzürnen!«
Das wollte sie wirklich nicht, also schloss sie sich der Kammerfrau an.
»Es wird dir da oben gefallen«, sagte Celeste, nachdem sie die erste Treppe erklommen hatten. Auch in den Gängen der Burg herrschte reges Treiben. Mägde schleppten Weißzeug für den Tisch in schweren Körben, einige Burschen trugen ihnen schwere Kerzenhalter und Stühle hinterher. Sie alle strebten der großen Halle zu, und es schien, als wollte man einen Großteil des Mobiliars der Burg dort hineinzwängen.
Neugierde erwachte in Aimee, weshalb sie nicht auf Celestes Bemerkung einging.
Die Kammerfrau schien das nicht weiter zu kümmern, denn sie schritt forsch und noch immer auf die Sauberkeit ihres Kleides bedacht voraus.
»Warst du schon einmal Patin, Celeste?«, fragte Aimee, als sie die Treppe erklommen hatten und in einen dunklen Gang einbogen. Ein Schauder überlief sie.
Trotz des Maiwetters war es in der Burg kalt wie im Winter. Die Schäferin fragte sich, wie sich ein Mensch in solch einer Kühle und Dunkelheit wohl fühlen konnte.
»Mein Bruder hat mich einst zur Patin seines Sohnes gebeten«, antwortete Celeste, während sie stehen blieb und eine schwere Tür vor sich aufstieß. »Es ist nicht schwer, Patin zu werden, Aimee. Tu einfach nur das, was die anderen tun, und sprich die Gebete fleißig mit.«
Die Schäferin nickte. »Das wird zu schaffen sein.«
Das Zimmer, in das Celeste sie führte, hatte drei hohe bleiverglaste Fenster, durch die das junge Grün der umstehenden Bäume gebrochen wie in einem Mosaik hereindrang. Hell und warm war es hier, was Aimee angesichts der Dunkelheit der Gänge nicht erwartet hätte. Das Morgenlicht fiel auf eine große Kleidertruhe, einen Waschzuber und ein breites, sehr weich anmutendes Bett, das ringsherum Vorhänge hatte.
»Wie ist der Baron denn so?«, fragte sie vorsichtig, als sie sich genug umgesehen hatte. »Ich habe ihn bisher nur ein paar Mal gesehen und weiß bloß das, was die Menschen im Dorf sich über ihn erzählen.«
»Na ja, der Baron soll in den Kreuzzügen mitgezogen sein, aber das weißt du sicher schon.«
Aimee nickte. Die Geschichte, dass Ravencroft im Morgenland gegen die Mamelucken gekämpft hatte, machte immer noch die Runde.
»Er soll lange Zeit griesgrämig gewesen sein, weil ihm die Frau fehlte«, fuhr Celeste fort, während sie die Bettvorhänge öffnete. Das Bettzeug, das sich dahinter verbarg, war frisch und roch nach getrocknetem Lavendel, von dem ein kleiner Strauß an einem der Bettpfosten hing. »Aber das hat sich mit seiner Vermählung geändert. Und seit das Kind da ist, erst recht. Einige Mägde behaupten sogar, dass sie ihn eines Morgens singend im Gang angetroffen hätten, als er auf dem Weg zu seinen Fechtübungen war.«
»Ja, die Liebe kann einen Mann verändern«, entgegnete Aimee und stellte den Tontopf vor das Fenster, genau in den Lichtfleck, der sich auf dem Boden
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