Fesseln des Herzens
dünn, es könnte sein, dass Euer Leben in Gefahr ist. Außerdem werdet Ihr Euch gegen einige schwere Schicksalsschläge behaupten müssen.«
Die Schäferin konnte nicht verhindern, dass ihre Hände zu zittern begannen.
Ravencroft schwieg ebenfalls. Offenbar gab er einiges auf solche Vorhersagen.
»Sagen die Linien auch, wovor ich mich in Acht nehmen muss?«
Aimee schüttelte den Kopf. »Nein, leider nicht. Selbst die Sterne wüssten Euch nicht zu nennen, wer Euer Leben bedroht. Immerhin kennt Ihr Euren größten Feind, und nach dem Aufruhr auf der Tauffeier ist es gut möglich, dass er Euch von neuem bedroht.«
Der Baron nickte, doch Sorgen wollte er sich darüber noch nicht machen. Er kannte Woodward und wusste, dass er eine Weile brauchen würde, bis ihm eine neue List einfiel.
»Was siehst du noch?«, fragte er daher, denn gewiss gab es auch Linien, die ihm Glück versprachen. Immerhin hatte er ein Weib und eine Tochter. »Es gibt sicher noch mehr Linien als die Lebenslinie, nicht wahr?«
Die junge Frau nickte und fuhr mit dem Finger die zweite Linie nach. »Die Herzlinie gibt Auskunft über Euer Glück in der Liebe.«
Ihr entging nicht, dass sich sein Körper bei dieser Ankündigung straffte.
»Und was liest du dort?«, flüsterte er rauh und warf ihr erneut einen durchdringenden Blick zu.
Aimee errötete nun, denn das, was sie dort sah, war ähnlich beunruhigend wie der Verlauf der Lebenslinie. Doch wenigstens war das Leben des Barons von dieser Seite nicht bedroht.
»Eure Herzlinie teilt sich«, sagte sie schließlich. »Der oberste Teil ist gewunden, das heißt, dass Ihr einige Wirren in der Liebe hinnehmen musstet.«
Ravencroft nickte bedächtig.
»Der zweite Teil, der ein Stück weit neben dem oberen beginnt, läuft gradlinig, was darauf schließen lässt, dass …«
Der Baron blickte sie unvermittelt an. »Was, Aimee? Sprich!«
»Es lässt darauf schließen, dass eine Liebe, die Ihr neu gefunden habt, anhalten wird bis an Euer Lebensende, Mylord.«
Ravencroft hätte behaupten können, dass damit gewiss sein Eheweib gemeint war, aber sein Herz wusste es besser.
Unvermittelt griff er nach Aimees Hand.
»Aimee«, raunte er. »Du weißt nicht, wie sehr ich dich begehre. Schon vom ersten Augenblick an, als ich dich sah.«
»Mylord, ich …« Weiter kam sie nicht, denn ihre Worte verloren sich im heftigen Pochen ihres Herzens.
»Ich weiß, du bist viel zu unschuldig, als dass du mir bewusst Avancen machen würdest«, fuhr er fort. »Aber ich spüre, dass du mir nicht abgeneigt bist. Ich spüre auch, dass du die Frau sein könntest, die ich ein Leben lang liebe.«
Die junge Schäferin wusste, dass es jetzt besser sein würde zu gehen.
Sie wollte ihm sagen, dass er ein Eheweib hatte und sie nicht wollte, dass er sie, wenn er ihrer überdrüssig war, fallenließ. Sie wollte ihm sagen, dass sie keine Hure sei. Stattdessen spürte sie ihren Widerstand dahinschmelzen. Bis zum Bett waren es nur wenige Schritte …
Die Stimme der Baronin hallte wieder durch ihren Kopf, die Forderung, dem Sehnen ihres Gemahls nachzugeben.
Ravencroft erhob sich und zog Aimees Körper an seine Brust. Schon im Wald hatte sie gespürt, wie viel Kraft unter seiner weichen Haut steckte.
Tausende Worte verbargen sich hinter den Augen des Barons. Doch anstatt sie auszusprechen, umfasste er mit einer Hand Aimees Nacken und zog sie so dicht an sich, dass sein Mund ihre Lippen berühren konnte.
Die Schäferin schloss die Augen und ergab sich der sinnlichen Berührung. Ihr Verstand versuchte ihr zuzurufen, dass sie eine Sünde beging, dass sie das nicht tun dürfe, aber das Feuer, das Ravencroft in ihr entfachte, verbrannte alle Einwände.
Seine Lippen teilten die ihren, und als sie seine Zunge spürte, rieselte ein sanfter Lustschauer durch ihren Leib.
Da beendete ein lautes Hämmern den süßen Rausch.
»Mylord, verzeiht, ist Aimee bei Euch?«, drang eine Frauenstimme durch die Tür.
Es war Celeste. Wahrscheinlich hatte die Kammerfrau in der Küche nach ihr gesucht, und dort hatte man ihr gesagt, dass der Baron mit ihr fortgegangen war.
Aimee blickte Ravencroft an. Das leidenschaftliche Feuer in seinen Augen war noch nicht erloschen. Er hätte die Kammerfrau jetzt fortschicken können, doch in Celestes Stimme lag eine gewisse Dringlichkeit.
»Ja, sie ist hier«, antwortete er schließlich.
»Die Amme verlangt nach ihr, es geht um Eure Tochter.«
Der Baron musterte Aimee bedauernd, dann nickte er ihr zu.
»Geh
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