Fesseln des Herzens
eiskaltes Wasser.
Nicole schien das allerdings nicht zu bemerken, und als er ein paar Schritte auf sie zuging, geriet sie in Panik.
»Weicht von mir!«, kreischte sie, als sei er ein Dämon. »Ich werde nie wieder das Lager mit Euch teilen! Nie wieder werde ich eines Eurer Kinder empfangen. Und nie wieder werde ich deswegen an der Schwelle des Todes stehen!«
Ravencroft konnte nicht verstehen, warum all dieser Hass in ihr kochte. Nicht nur, dass sie ihn nicht liebte, sie schien ihn regelrecht zu verabscheuen.
Er ging zu ihr, wollte sie in seine Arme ziehen und sie beruhigen, doch Nicole schlug nach ihm. Nachdem sie ihn ein paar Mal getroffen hatte und schließlich ihre Fingernägel in seine Wange grub, riss sein Geduldsfaden, und er packte sie bei den Handgelenken. Seiner Kraft hatte sie nichts entgegenzusetzen.
»Was ist dir, Weib, bist du toll?«, fuhr er sie an und drückte sie dann aufs Bett, worauf Nicole zu schreien begann wie noch nie zuvor in ihrem Leben.
»Nimm sie nach dem Füttern noch ein Weilchen auf den Arm«, riet Aimee, während sie die kleine Baroness in ihre Wiege zurücklegte.
Das Mädchen hatte sich prächtig entwickelt. Mittlerweile sah sie ihren Betrachter schon an, und hin und wieder schlich sich ein Lächeln auf ihr Gesicht, das nicht zufällig wirkte. Der dunkle Flaum auf ihrem Kopf war dichter geworden. Man konnte noch nicht ganz sagen, nach wem sie mehr schlagen würde, doch sie würde gewiss eine Schönheit werden.
»Manchmal passiert es, dass sich Luft im Bauch des Kindes sammelt, besonders wenn es zwischen dem Trinken atmet«, fuhr sie fort. »Wenn man es dann hinlegt, drückt die Luft gegen die Milch, und es bekommt Schmerzen.«
Die Amme, die den Namen Elsa trug, wurde rot. »Das habe ich nicht gewusst. Bei meinem eigenen Kind war es bisher nicht so.«
»Dein Kind schluckt vielleicht nicht so viel Luft zwischendurch.«
Aimee lächelte der Amme aufmunternd zu. Gemäß ihrer Weisung hatte der Baron eine kräftige Frau angestellt, die erst vor kurzem geboren hatte. Allerdings war sie noch nicht besonders erfahren im Umgang mit Säuglingen. Es war ihr erstes Kind, mit dem sich die Baroness die Muttermilch teilte. Während die Amme hier oben war, nahmen die Mägde das Kleine in ihre Obhut. Jetzt war es allerdings an der Zeit, dass sie zu ihrem eigenen Kind, einem Sohn, zurückkehrte.
Aimee bedeutete ihr mit einem Nicken, dass die Wache für sie vorüber war, und ließ sich dann selbst auf den Schemel neben der Wiege nieder.
»Sollte ich nicht besser die Wache übernehmen?«, fragte die Kammerfrau, die Aimee die ganze Zeit über beäugt hatte.
»Nein, das ist nicht nötig. Leg dich schlafen, Celeste, morgen …«
Der Schrei aus dem Nebenzimmer ließ die Frauen zusammenfahren. Es war eindeutig die Stimme der Baronin, und es klang, als wollte ihr jemand ans Leben.
Celeste und Aimee stürmten aus dem Raum.
Noch immer schrie die Baronin. Hatte sie sich etwas angetan? Dass sich ihr ein fremder Mann genähert hatte, war unwahrscheinlich, denn die Gänge waren streng bewacht.
Als die beiden die Tür aufrissen, erblickten sie George of Ravencroft, der sein Weib gerade aufs Bett drückte. Was er vorgehabt hatte, war eindeutig. Sein Wams stand offen, und auf seiner Wange hatte er einen blutigen Kratzer. Offenbar hatte sich Nicole dagegen gewehrt, dass er seine ehelichen Pflichten einfordern wollte.
Die Kammerfrau und die Schäferin blieben wie erstarrt stehen. Als der Baron die beiden erblickte, ließ er seine Frau augenblicklich los, und der panische Ausdruck auf Nicoles Gesicht verschwand. Niemand sprach ein Wort. Ravencroft strich sich mit einer unwirschen Geste die Haare zurück, und die Baronin richtete hastig ihr Kleid.
Ravencroft hätte nun fragen können, was sie hier zu suchen hatten. Gleichfalls hätte er losdonnern können, dass sie verschwinden sollten. Aber er sagte kein Wort.
Schließlich räusperte sich Celeste. »Verzeiht die Störung, Mylord, wir dachten …«
»Schon gut«, entgegnete der Baron und blickte dann zu seiner Gemahlin hinüber.
Die wandte ihr Gesicht ab.
Celeste wich mit einem Knicks zurück. Aimee blieb stehen, wo sie war. Ihr Kopf war voller Gedanken.
Es war das Recht des Barons, seinem Weib beizuwohnen. Und es war die Pflicht des Weibes, den Leib des Gatten zu empfangen.
Doch in diesem Augenblick, nach allem, was sie erlebt und was die Baronin ihr erzählt hatte, erschien es ihr nicht richtig. George of Ravencroft war dabei gewesen, als
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