Fesseln des Herzens
schon, kümmere dich um mein Kind.« Gern hätte er hinzugefügt, dass es andere Gelegenheiten geben würde, um das, was er vorgehabt hatte, in aller Ruhe nachzuholen. Doch er schwieg.
Aimee sah ihn noch kurz an, dann wandte sie sich der Tür zu.
Als sie das Gemach verließ, hielt Celeste den Blick gesenkt und wandte sich um. Sie sagte kein Wort, aber die Schäferin konnte ihre Gedanken beinahe spüren. Schweigend schloss sie sich ihr an und folgte ihr hinab zu den Gemächern der Baronin.
Als Ravencroft den Saum von Aimees Kleid in der Tür verschwinden sah, stützte er sich auf den Tisch und atmete tief durch. Das Verlangen brannte wie Feuer in seinen Eingeweiden, seine Härte drängte gegen seinen Hosenbeutel, und ihm wollte kein sündloser Weg einfallen, um sich Linderung zu verschaffen. Er starrte noch einen Moment auf die Tür, dann schoss ihm ein Gedanke durch den Sinn. Warum hatte er ein Weib, wenn es nicht bereit war, das Lager mit ihm zu teilen? Immerhin hatte mit der Heirat ein neuer Abschnitt für sein Leben begonnen. Sie sollte die gerade Linie sein, die in seiner Handfläche zu lesen war.
Doch sogleich mischte sich eine zweite Stimme in seine Gedanken und sagte ihm, dass Aimee vielleicht die Auserwählte war, die ihm die Herzlinie prophezeite.
Mit einer energischen Bewegung wischte er alle Gedanken beiseite. Sein Weib gehörte in sein Bett! Mittlerweile wartete er nun schon beinahe ein Jahr. Während sie sein Kind unter dem Herzen getragen hatte, hatte er sich ihr nicht nähern wollen, weil es hieß, dadurch könne die Frucht abgehen. Seit der schweren Geburt war er allerdings auch nicht wieder zu ihr gegangen, weil er fürchtete, ihr Schmerzen zu bereiten.
Allmählich nahm jedoch das Verlangen in seinen Lenden überhand, und er stand kurz davor, den unchristlichen Weg zu wählen, sich Befreiung zu verschaffen.
Er musste sein Weib aufsuchen! Er wollte wenigstens ihren Leib bei sich spüren, wollte ein wenig Wärme, nachdem Aimee fort und er wieder zur Besinnung gekommen war. Vielleicht würde er Nicole sogar dazu bringen, sich ihm hinzugeben. Also erhob er sich und verließ sein Gemach.
Der Gang erschien ihm so einsam wie noch nie, trotz der Wachen, die in den Nischen standen. Instinktiv versuchte er zu hören, ob seine Tochter schrie.
Kurz überkam ihn die Angst, dass Mary ein Fieber befallen haben könnte, doch er beruhigte sich sogleich wieder. Solange Aimee bei ihr war, da war er sicher, würde seiner Tochter nichts geschehen.
Schließlich erreichte er die Gemächer seiner Gattin. Aus dem Raum nebenan erklangen Stimmen. Er hörte Aimee leise auf die Amme einreden, die nur ab und zu etwas erwiderte.
Als er die Tür öffnete, fand er seine Gemahlin vor dem Fenster vor. Sehnsuchtsvoll blickte sie in die Nacht hinaus, auf den Mond, der zwischen den Zinnen der Burg umherwanderte.
Sie musste ihn gehört haben, aber sie wandte sich ihm nicht zu.
»Nicole«, sagte er leise.
Beim tiefen Klang seiner Stimme wandte sie sich abrupt um. »Was wollt Ihr hier?«, fuhr sie ihn an, als hätte sie einen Fremden vor sich.
»Ich wollte dich sehen«, antwortete er. »Ich wollte dir nahe sein.«
»Mir nahe sein?«, entgegnete Nicole, und als sie ihm in die Augen sah, bemerkte sie, was er damit wirklich meinte.
»Du bist mein Weib. Und ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir wieder das Lager miteinander teilen.« Während Ravencroft sprach, rann ein begehrliches Zittern durch seine Glieder.
Die Miene der Baronin verfinsterte sich plötzlich, wie er es noch nie zuvor an ihr gesehen hatte. »Ich habe Eurem Kind das Leben geschenkt. Genügt das nicht?«
»Ich wollte nicht nur das Kind von dir. Ich möchte deine Liebe.«
Nicole setzte ein spöttisches Lächeln auf. »Liebe? Gibt es so etwas überhaupt für Menschen wie uns? Vielleicht, wenn wir uns jemanden suchen, mit dem wir nicht verheiratet sind. Ich habe meine Pflicht als Ehefrau getan. Ihr könntet mich nicht mehr verstoßen, selbst wenn Ihr wolltet.«
Ravencroft fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. All die Aufmerksamkeiten, die er ihr zuteilwerden ließ, alle Liebe und Zuwendungen, mit denen er sie bedacht hatte, waren offenbar fruchtlos gewesen.
Er war sich darüber im Klaren, dass in ihren Kreisen die wenigsten Ehefrauen Liebe für ihre Gatten empfanden. Aber er hatte gehofft, die ihre trotz allem zu entzünden.
Das Weib, das hier vor ihm stand, tat dies ganz offensichtlich nicht. Diese Erkenntnis kühlte seine Lust ab wie ein Eimer
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