Fesseln des Herzens
ein.
»Mylady, Ihr solltet besser nach unten kommen. Hauptmann Fellows ist zurückgekehrt und hat eine Nachricht für Euch.«
Nicole versuchte, eine ernste und würdevolle Miene aufzusetzen, während die Nervosität wie ein Feuerball in ihr explodierte.
Sie folgte dem Haushofmeister und trat in den großen Saal der Burg. Durch die hohen Fenster fiel das letzte Tageslicht und malte rote Flecke auf den glattgeschliffenen Steinfußboden. Fackeln waren entzündet worden, die einen warmen Schein auf die Wandteppiche und Banner legten.
Der Blick der Baronin schweifte über die lange, leere Tafel, die eigentlich aufgestellt worden war, um daran die heimgekehrte Jagdgesellschaft zu bewirten. Doch die Platten und Becher würden heute wohl leer bleiben.
Henry Fellows’ Schritte hallten laut durch den Raum, als er auf sie zuschritt. Er wirkte erschöpft, und seine Kleider waren schmutzig. Von seinem Gesicht konnte man nicht ablesen, was er zu verkünden hatte.
Als Nicole vor ihn trat, fiel der Leibwächter sogleich auf die Knie.
»Mylady, verzeiht mir, aber ich habe schlechte Nachrichten für Euch.«
Nicole versuchte, bestürzt dreinzublicken.
»Sprich«, verlangte sie und warf einen kurzen Blick auf die Menschen, die sich ebenfalls im Saal aufhielten. Offenbar wussten sie bereits, was geschehen war.
»Es hat einen Anschlag auf Euren Gemahl während der Jagd gegeben«, begann er zögerlich und verstummte einen kurzen Moment.
Nicole fiel auf, dass er ihr mit seinem Blick irgendwas mitteilen wollte. Nun sag es schon, dachte sie ungeduldig. Sag, dass er tot ist.
»Er wurde von einem Bolzen getroffen und schwer verwundet.«
Nicht getötet?, fragte sich Nicole, und der Schreck ließ ihr das Blut aus den Gliedern weichen.
»Wir haben ihn zu Aimee gebracht, die den Bolzen inzwischen entfernt hat und sich um ihn kümmern wird. Sein Leben liegt jetzt in der Hand Gottes.«
Ihr Gemahl war also nicht tot! Unbeschreibliches Entsetzen überkam Nicole. Wenn er nun wieder gesundete, war der ganze Verrat umsonst. Vielleicht würden sie sogar ihr Leben dafür einbüßen.
Plötzlich wurde ihr schwindelig, und sie spürte, wie ihre Beine nachgaben. Sie stürzte Fellows entgegen, der sie rasch auffing.
»Wir sollten sie besser wieder in ihre Gemächer bringen«, sagte er zum Haushofmeister.
Der Hauptmann hob die Baronin auf seine Arme und trug sie aus dem Raum, wohl wissend, dass nicht die Sorge um Ravencroft ihre Ohnmacht verursacht hatte, sondern die Angst vor dem, was auf sie zukommen würde, wenn er überlebte.
In ihrer Kemenate angekommen, bettete er sie auf ihr Lager und tätschelte ihr sanft die Wangen. Schließlich öffnete sie die Augen und blickte Henry an.
Da der Haushofmeister noch immer in der Tür stand und Celeste samt den Mägden herbeieilte, konnte er nicht frei mit ihr sprechen, aber es gab etwas, das er sagen konnte, so dass sie es verstand, während allen anderen der eigentliche Sinn seiner Worte verborgen blieb.
»Habt keine Angst, es wird sich alles fügen.«
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16 . Kapitel
Z u allem Unglück zeigte es sich schon einen Tag später, dass der Baron die Verletzung nicht so einfach überwinden würde. Aimee konnte zwar mittlerweile mit Sicherheit sagen, dass der Bolzen nicht vergiftet war, aber das Wundfieber setzte ein, und das war ähnlich schwer zu bekämpfen wie Gift.
Ravencroft erlangte zwischendurch immer wieder kurz das Bewusstsein, doch das Fieber war so weit vorangeschritten, dass er weder seine Umwelt bewusst wahrnahm noch irgendein sinnvolles Wort herausbringen konnte.
Aimee gab ihm zu trinken, und er schluckte reflexartig, aber obwohl seine Augen offen standen, sah er sie nicht.
Nach einer weiteren durchwachten Nacht und einem Tag, den sie damit verbrachte, die Wunde immer wieder mit ihrem Kräutersud zu spülen, musste sie bei neuerlichem Einbruch der Dunkelheit feststellen, dass der gesamte Körper des Barons wie Feuer glühte. Die Wunde hatte einen bösartig roten Rand bekommen, und sie war heiß und geschwollen.
»Was ist los?«, fragte St. James, der immer noch bei ihr war.
»Das Fieber breitet sich aus«, entgegnete Aimee und zog den Korken aus einem Tonkrug, den sie vom Regal genommen hatte. Der Saft, den sie daraus in einen Becher schüttete, war beinahe schwarz.
Bevor der Soldat etwas erwidern konnte, riss der Baron die Augen auf. Allerdings war sein Blick auch diesmal starr ins Leere gerichtet. Schweiß lief ihm über die Stirn und an den Schläfen entlang ins Haar.
»Mein
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