Fesseln des Herzens
Entscheidung getroffen?
Doch dann schüttelte er den Kopf. Solche Gedanken führten zu nichts, denn es war ohnehin schon zu spät. Der Stein war bereits ins Wasser geworfen, jetzt musste sich zeigen, wie weit die Kreise ziehen würden.
»Ihr könnt der Baronin mitteilen, dass ich alles Menschenmögliche für ihren Gemahl tun werde«, sagte Aimee, aber sie hörte selbst den Zweifel aus ihren Worten heraus.
Henry schien das allerdings egal zu sein.
»Ich werde in ein paar Tagen wieder herkommen und mich nach dem Befinden des Barons erkundigen«, sagte er. »Sollte es ihm zwischenzeitlich schlechtergehen, schick einfach Nicolas in die Burg.«
Mit diesen Worten wandte er sich wieder um und stieg die Treppe hinunter.
Wenig später hörte Aimee Hufgetrappel, und gleichzeitig fragte sie sich verwundert, wie Fellows angesichts der Lebensgefahr, in der sein Herr schwebte, so ruhig bleiben konnte. Selbst St. James wirkte besorgter. Und sie zerriss es geradezu, was aber allerdings dem Umstand geschuldet war, dass sie Ravencroft von ganzem Herzen liebte.
Aus diesem Grund schob sie den Gedanken an Fellows schnell beiseite und wandte sich rasch wieder dem Baron zu, um ihm die Stirn zu kühlen.
Den ganzen Tag über war Nicole nervös durch ihr Gemach geschritten. Nachdem sie angekleidet worden war, hatte sie die Mädchen fortgeschickt, nicht einmal Celeste duldete sie in ihrer Nähe.
Vielleicht legte man ihr das als Sorge um ihren Gatten aus, doch Nicole war sich dessen bewusst, dass man eher glauben würde, sie fürchtete um ihren Titel und die Ländereien. Schließlich hatte inzwischen jeder bemerkt, dass es zwischen ihr und Ravencroft nichts Verbindendes gab.
Endlich kehrte die Meute zurück. Schon als sie den Hufschlag durch das Tor kommen hörte, rannte die Baronin zum Fenster und spähte auf den Burghof. Die Hunde waren zuerst zu sehen, dann ein paar Reiter. Es handelte sich dabei um die Jäger, die mit Ravencroft losgezogen waren. Von den Soldaten dagegen keine Spur. Auch von Henry nicht.
Nicole rang einen Moment mit sich, ob sie hinunterlaufen sollte. Die Frage, ob Woodwards Leute zur Stelle gewesen waren und den Baron getötet hatten, marterte sie. Schließlich hielt sie es nicht mehr länger aus und hastete nach unten.
Der Jagdmeister ließ gerade die Hunde von seinen Gehilfen in den Zwinger bringen. Als er die Baronin erblickte, verneigte er sich mit beklommener Miene.
»Mylady.«
»Was ist geschehen?«, fragte Nicole, während sie beide Hände in ihren Rock krallte.
»Ich kann es Euch nicht genau sagen, aber die anderen berichteten mir, dass Euer Gemahl von einem Bolzen getroffen sein soll.«
»Was ist mit ihm? Ist er tot? Wo ist Fellows?« Nicoles Stimme überschlug sich beinahe, während sie dem Jagdmeister eine Frage nach der anderen entgegenschleuderte.
Der Befragte legte dies anscheinend als Sorge aus.
»Mylady, es tut mir leid, dass ich Euch nicht mehr sagen kann. Der Hauptmann hat sich auf die Suche nach dem Schützen gemacht.«
»Dann war es keiner der Jäger?«
»Nein, Mylady, offenbar nicht. Näheres wird Euch Henry Fellows berichten können, ich hatte nur die Aufgabe, die Hunde zurückzubringen.«
Nicole verharrte einen Moment lang schweigend vor dem Mann, der ihr nun einen fast schon mitleidigen Blick zuwarf.
»Ich werde für Euren Gemahl beten«, fügte er hinzu, und da sie ihn nicht daran hinderte, wandte er sich nach einer kurzen Verbeugung wieder seiner Arbeit zu.
Es ist also geschehen, schlich es durch Nicoles Verstand. Ravencroft ist niedergeschossen worden. Falls er jetzt noch nicht tot ist, wird er vielleicht in den kommenden Stunden sterben.
Eine zermürbende Unruhe erfasste sie. Sie wollte Gewissheit haben und erfahren, wie alles vonstatten gegangen war. Doch sie musste warten, bis Henry zurückkehrte.
Also machte sie sich mit wehenden Röcken auf den Weg in ihre Kemenate, erfüllt von Gedanken, Hoffnungen und Ängsten. Als Celeste zu ihr kommen wollte, scheuchte sie ihre Kammerfrau samt der Mädchen, die ihr gefolgt waren, fort und setzte sich vors Fenster. Dort verharrte sie, bis endlich ein einzelner Reiter auf den Hof stürmte. Ohne aus dem Fenster zu schauen, wusste Nicole, dass es sich um Henry handelte. Würde er ihr die erlösende Nachricht bringen?
Unruhig knetete sie ihre Hände, bis sie Schritte vor ihrer Tür vernahm. Allerdings waren es nicht die ihres Geliebten, das hörte sie sofort.
Ein Klopfen ertönte, und auf ihren Ruf hin trat der Haushofmeister
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