Fesseln des Schicksals (German Edition)
attraktiver Mann war.
Als Hortensia in die Bibliothek trat, leuchteten Ross Dugans Augen auf. Und fast als wäre er ein junger Mann von zwanzig Jahren, sprang er von seinem Sitz auf und lief ihr entgegen.
«Miss Hortensia», begrüßte er sie und küsste die Hand seiner Versprochenen. «Es ist mir eine Ehre, dass Sie mein Bitten erhört haben. Sie machen mich zum glücklichsten Mann der Welt.»
Ausweichend stammelte Hortensia etwas, aber ein Blick von David genügte, um sie daran zu erinnern, was sie zu tun hatte.
«Danke. Sie sind sehr freundlich», brachte sie heraus und bemühte sich, ehrlich zu klingen.
Diese Worte zerstreuten alle Zweifel, die Ross Dugan bezüglich der Ehewünsche der jungen Frau gehegt hatte.
«Der Tod Ihrer Mutter tut mir sehr leid. Sie war eine außergewöhnliche Frau.»
Die Art und Weise, wie David jede von Hortensias Bewegungen beobachtete, brachte sie dazu, den Kopf zu senken und etwas Ähnliches wie ein Danke zu murmeln.
Dugan lächelte ihr zu und versuchte, sie aufzumuntern.
«Alles wird gut werden. Ich verstehe, dass dieser Moment sehr schwierig für Sie ist. Wo noch dazu Ihre Schwester zu Ihrer Familie nach New Orleans gereist ist. Sicher fühlen Sie sich sehr allein.»
«Sehr, Mr. Dugan», nickte sie und versuchte mit aller Macht, die Tränen zurückzuhalten.
«Nennen Sie mich Ross. Und ich hoffe, Sie erlauben mir, Hortensia zu sagen.»
Wieder nickte sie, während eine erste Träne ihren Widerstand durchbrach und ihr über die Wange rollte.
Jetzt stand David auf und stellte sich zu seinem Freund Dugan, der noch nie mit Frauentränen zurechtgekommen war. «Es wird ihr bald bessergehen», sagte David und klopfte seinem Freund beruhigend auf die Schultern. «Katherines Tod ist noch nicht lange her.»
«Gewiss. Entschuldigen Sie mein mangelndes Taktgefühl», entschuldigte Dugan sich bestürzt. «Ich hätte sie nicht erwähnen sollen.»
«Beruhige dich, meine Kleine», sagte David jetzt in einem tröstenden Tonfall. Als Hortensia merkte, dass ihr Vater im Begriff war, sie in den Arm zu nehmen, erstarrte sie. David drückte Hortensia an seine Brust, so wie ein Vater es getan hätte, dem der Schmerz seiner Tochter wirklich naheging. Aber die ekelhafte Wärme dieser vergifteten Umarmung machte Hortensia solche Angst, dass die Tränen in ihrer Seele gefroren.
«Siehst du, Ross, es ist schon vorbei», sagte David nach kurzer Zeit und ließ Hortensia los. «Sie braucht nur ein bisschen Zuwendung.» Als Dugan in das Gesicht seiner Verlobten sah, stellte er verwirrt fest, dass nicht einmal die Spur einer Träne darin zu sehen war.
«Aber sprechen wir von angenehmeren Dingen. Wann, glaubst du, könnt ihr Hochzeit feiern, Ross?»
Bevor Dugan etwas dazu sagte, suchte er in Hortensias Augen nach einer Antwort.
«… Nun, ich würde gern so bald wie möglich heiraten. Natürlich nach einer Trauerzeit, die euch angemessen erscheint», fügte er schnell hinzu, um nicht gefühllos zu erscheinen.
«In drei Monaten also?», meinte David und schlug damit die kürzeste Zeitspanne vor, die sich für einen solchen Verlust noch gerade eben geziemte.
«Ist dir das recht, Hortensia?», fragte Dugan und wandte sich zum ersten Mal in dieser vertrauten Form an seine Verlobte.
«Ja, es ist mir recht», antwortete Hortensia.
· 24 ·
N achdem sie die Nacht in einem alten Lagerhaus im Bahnhof von Baltimore verbracht hatten, wurden Noah und Charlotte von den übrigen Sklaven getrennt und in Richtung Norden gebracht. Ihr endgültiges Ziel lag eine halbe Tagesreise von der Stadt entfernt.
Als sie auf Sarton ankamen, erschien Charlotte dieses Haus mit den beigegetünchten Wänden und den großen Fenstern zunächst wie ein heimeliger Ort, an dem sie vielleicht gern eine Familie gegründet hätte. Aber ihr neuer Stand als Sklavin vermittelte ihr eine ganz andere Sicht auf die Dinge. Die Plantage war ihr Gefängnis und ihre Chance zugleich. Es war ungewöhnlich, dass so hoch im Norden überhaupt Baumwolle angebaut wurde. Sie hatten Glück gehabt, hierhergebracht worden zu sein. Denn die Grenze zwischen Maryland und Pennsylvania war höchstens zwei Tagesreisen zu Fuß von hier entfernt. Ja, sagte sie sich und machte sich Mut. Sie würde ein paar Tage brauchen, um wieder zu Kräften zu kommen, aber dann würde sie nach Norden fliehen und wäre wieder frei.
Der Karren hielt vor einem gepflegt wirkenden etwa sechzigjährigen Mann in Arbeitskleidung.
«Vorwärts, ihr Faulpelze!», befahl der Mann, der
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