Fesseln des Schicksals (German Edition)
verlieren könnte. Das hatte sie von ihrem Vater gelernt. Aber sie schwieg. Außerdem wollte sie Sarah nicht noch mehr beunruhigen.
Nicht weit entfernt von den Frauen saßen Charlotte und Hortensia mit Rose Marys Tochter Rebecca und Laura Burton an einem Tisch. Zu Gwendolyns tiefstem Bedauern hatte man ihre Tochter zu den drei jungen Mädchen gesetzt. Das Protokoll würde ihr erst einen anderen Platz zuweisen, wenn sie offiziell in die Gesellschaft eingeführt war. Bis dahin wurde Laura als Kind betrachtet, auch wenn ihr Körper und ihr Aussehen das Gegenteil behaupteten.
Hortensia ließ die Beine baumeln, und Charlotte verspeiste gerade ein zweites Stück Torte, als ihr Cousin Orante in Begleitung von Adam Carmody auf die Veranda kam.
«Meine Damen», begrüßte er sie.
Hortensia schenkte ihrem Cousin ein reizendes Lächeln. «Hallo, Orante.»
«Ich habe mich gefragt, ob ihr vielleicht Lust habt, mich zu begleiten.»
Hortensia suchte mit den Augen das Einverständnis ihrer Mutter, die nickte. Schnell schob Charlotte sich den letzten Bissen Torte in den Mund und stand auf. Auch Rebecca bekam die Erlaubnis ihrer Mutter mitzugehen.
Laura Burton hingegen wurde vom siebzehnjährigen Adam Carmody gefragt, ob sie ihm den ersten Tanz schenken würde.
«Katherine, deine Töchter sind so wunderhübsch», schwärmte Gwendolyn hinterhältig und sah wie ein aufgeplusterter Pfau dabei zu, wie ihre eigene Tochter alle Blicke auf sich zog. «In ein paar Jahren werden sie sich vor Verehrern kaum retten können.»
«Ja, es ist zwar unglaublich, dass sie Zwillinge sind, aber sie sind wirklich sehr hübsch», bestätigte Rose Mary, deren eigene Tochter keine große Schönheit war. Erst nachdem Gwendolyn ihr einen scharfen Blick zugeworfen hatte, fügte sie schnell hinzu: «Laura hat sich auch sehr verändert. Sie ist eine sehr attraktive junge Frau geworden.»
«Danke», lächelte Gwendolyn. «Sie war immer ein hübsches Mädchen, und anscheinend hat es das Schicksal so gewollt, dass eine schöne Frau aus ihr wird. Bald wird sie heiraten können.»
Katherine tat diese unzufriedene Frau leid, die es nicht erwarten konnte, ihre Tochter auf den Markt zu werfen, und sie in einer für ihr Alter vollkommen unpassenden Weise verkleidete.
«Nun», sagte Katherine, «ich hoffe, sie findet einen Ehemann, der sie verdient.» Katherine war fast überrascht, wie leicht es ihr fiel, so zynisch zu sein.
Gwendolyn heuchelte ein Lächeln. Sie hasste diese Frau. Nie hatte sie verkraftet, dass Katherine sie an Schönheit weit übertraf. Und vor allem konnte sie der hochmütigen Katherine Lacroix nicht verzeihen, dass sie die Gesellschaft einer Sklavin ihrer Freundschaft vorgezogen hatte. Zugegebenermaßen spürte sie jetzt, dass sie für die erlittene Demütigung entschädigt wurde, als sie sah, wie sehr Laura bewundert wurde, während die Parrish-Zwillinge von ihrem Cousin gerettet werden mussten.
«Auch du musst dir keine Sorgen machen, Katherine. Deine Töchter werden gewiss nicht das gleiche Schicksal erleiden wie ihre Cousine.»
Katherine runzelte die Stirn. «Sprichst du etwa von Silvia?»
Lächelnd ließ Gwendolyn Burton noch ein Stück Zucker in ihre Tasse fallen. «Von wem sonst?»
Plötzlich war die Luft zum Schneiden dick. Selbst Humberta Doran und Angelica Leberman am Nachbartisch hatten ihre Ohren gespitzt, um sich kein Wort entgehen zu lassen. Gwendolyn Burton hatte sich auf ein gefährliches Terrain begeben.
«Mein Gott, Katherine! Ich weiß ja, sie ist deine Nichte, aber du musst zugeben, dass sie nicht gerade eine Schönheit ist.»
«Vielleicht nicht in deinen Augen, Gwendolyn. Aber sie ist gutherzig, sanft, intelligent, liebevoll, gebildet, fein, und in ihrem Herzen haben Neid und böse Gedanken keinen Platz. Und das macht sie wunderschön.»
«Ich verstehe schon, ein Tugendlamm.»
Eine Sekunde lang dachte Katherine daran, ihren Tee über Gwendolyn auszuschütten, aber sie biss sich auf die Lippen und beschwor sich, die Kontrolle zu bewahren.
«Ich finde, sie ist eine schöne junge Frau», bestätigte Rose Mary. «Ich schätze sie sehr, und sie ist wirklich tugendhaft.»
«Und wie sollte sie auch nicht tugendhaft sein, Rose Mary!», rief Gwendolyn aus. «Mit den wenigen Vorzügen, die der Herr ihr gegeben hat. Nun, wenn man daran denkt, wie reizlos deine eigene Tochter ist, musst du natürlich Partei für Silvia ergreifen.»
Rose Marys Wangen liefen rot an, und gedemütigt senkte sie den Blick.
In Katherines
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