Fesseln des Schicksals (German Edition)
hat im Laden der MacEwans angefangen, als ihre Eltern starben und sie die Plantage aufgeben mussten. Ich habe sie immer für anständige und rechtschaffene Mädchen gehalten», bemerkte Rose Mary.
Auch Sarah Timberland kannte die Georgensen-Schwestern. «Rose Mary hat recht», pflichtete sie ihr nun bei.
«Willst du damit sagen, dass es dir egal ist, wenn aus deinen Töchtern einfache Angestellte würden?» Gwendolyn war keineswegs bereit einzulenken. Wahrscheinlich hätte sie Katherine sogar widersprochen, wenn diese gesagt hätte, dass die Sonne rund sei.
«Wenn sie dabei glücklich sind. Aber warum sollten sie sich damit zufriedengeben, Angestellte oder Lehrerinnen zu sein? Warum nicht Ärzte oder Anwälte?»
«Mein Gott, Katherine!», rief Humberta jetzt sichtlich besorgt aus. «Frauen können keine Ärzte werden.»
«Und was hindert sie daran?»
«Das ist doch klar. Unser Kopf ist nicht dazu fähig, die Wissenschaft geistig zu verarbeiten», erklärte Gwendolyn sehr bestimmt.
«Ich teile deine Meinung nicht, und es macht mich traurig zu hören, dass wir selbst unsere Leistungen so einschränken. Ich würde es begrüßen, wenn meine Töchter wegen ihrer Fähigkeiten begehrt werden, nicht wegen ihrer Schönheit. Es ist doch schrecklich, dass ein tüchtiges und intelligentes Mädchen dazu verurteilt sein soll, einen mittelmäßigen Ehemann zu ertragen, nur weil sie für ihn schön und reich genug ist. Ich habe es satt, dass wir unsere Töchter verkaufen.»
Humberta Doran war sichtlich schockiert. Wenn sie nicht solche Angst gehabt hätte, etwas zu verpassen, wäre sie wahrscheinlich in Ohnmacht gefallen. Aber Sarah und Rose Mary hingen wie hypnotisiert an Katherines Lippen. Es war nicht leicht, sich der Faszination zu entziehen, die von dieser Frau ausging. Das Vertrauen in ihre Prinzipien. Die Leidenschaft in ihrer Stimme. Jede Geste, jede Bewegung, jeder Blick aus ihren durchdringenden, honigfarbenen Augen verlieh ihr eine unbezähmbare Macht.
Besonders Rose Mary wünschte sich voller Sehnsucht, dass sie eine Mutter wie Katherine gehabt hätte. Wie anders wäre ihr Leben verlaufen, wenn man ihr als junges Mädchen gesagt hätte, dass sie schön wäre. Dass das Schicksal mehr für sie bereithielte, als den ersten und einzigen Mann zu akzeptieren, der um ihre Hand anhielt, obwohl er nie auch nur die geringste Zuneigung für sie verspürt hatte. Wie sehr hatte sie sich gewünscht, sich hübsch und geliebt, ja besonders zu fühlen! Vielleicht hätte sie ihrem Mann, ihren Eltern und der Welt dann etwas entgegensetzen und sogar glücklich sein können. Wenn sie auch nur ein Mindestmaß dieser Sicherheit an ihre Tochter weitergeben könnte, wie anders könnte Rebeccas Leben aussehen!
Gwendolyn runzelte die Stirn. Es kam ihr so vor, als hätte Katherine Parrish alle mit ihrer Verrücktheit angesteckt. Diese Frau war gefährlich. Aber Gwendolyn würde sich nicht beeindrucken lassen.
«Sag, Katherine … Wenn Frauen zu diesen Dingen fähig sind, warum gab es noch nie eine Frau in der Geschichte, die Arzt oder Mathematiker war?» Bevor Katherine antworten konnte, ergriff nun die alte Mrs. Leberman das Wort, eine streng in Schwarz gekleidete Witwe, die vor weniger als einem Jahr ihren Ehemann verloren hatte. «Ganz einfach, Gwendolyn Burton, weil Frauen wie du und Humberta sich vorgenommen haben, dumme und unnütze Wesen aus uns zu machen.» Sie wandte sich an Katherine. «Ich bin deiner Meinung, Katherine. Eine Frau muss für sich selbst einstehen können, und wenn die Mütter sich darum bemühen würden, ihren Töchtern Mut zu machen und sie davon zu überzeugen, dass sie genauso viel wert sind wie ihre Brüder, dann lägen die Dinge ganz anders.»
***
Bald wäre es sechs Uhr und der Tanz würde beginnen. Die Musiker stimmten bereits ihre Instrumente.
Orante lief neben Hortensia durch den Garten. Seit er seine Cousinen das letzte Mal gesehen hatte, war ein Jahr vergangen, und Hortensia war ein gutes Stück gewachsen. Fast war sie so groß wie er. Wenn er die beiden betrachtete, musste er feststellen, wie wenig ähnlich sie sich waren. Die große und blonde Hortensia war extrem schüchtern, aber sanft und elegant, während die dunkelhaarige Charlotte, die für ihr Alter eher klein war, temperamentvoll auftrat. Ihre schönen grünen Augen funkelten rebellisch. Ständig fragte er sich, wie zwei so unterschiedliche Menschen Schwestern sein konnten, sogar Zwillinge. Und noch weniger verstand er, dass Hortensia
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