Fesselnde Entscheidung (German Edition)
verkriechen und nichts mehr hören oder sehen müssen, einfach einschlafen und vielleicht nie mehr aufwachen müssen.
Als sie im Krankenhaus angekommen waren, wurde Elisa sofort in ein Behandlungszimmer gebracht. Schon der Anblick des gynäkologischen Untersuchungsstuhls löste Unbehagen in ihr aus. Sie saß vor einem großen überladenen weißen Schreibtisch und wartete. Nach ein paar Minuten wurde die Tür ruckartig aufgerissen und ein grauhaariger Mann, mit einer runden Brille und einer großen Nase, stellte sich ihr als Dr. Bremer vor. Er nahm ihr gegenüber Platz und suchte nach einer Patientenakte, wahrscheinlich nach ihrer, die eiligst angelegt worden war.
»Frau … äh«, er blickte auf die Unterlagen vor ihm, »Frau Schulte, wie geht es Ihnen?«
»Ich weiß nicht, ich bin …«, sie stockte.
»Wahrscheinlich befinden Sie sich in einem Schockzustand«, unterbrach er ihre Gedanken, »das ist nach solchen dramatischen Erlebnissen, wie sie Ihnen widerfahren sind, ganz normal und geben keinen Anlass zur Beunruhigung. …«, er räusperte sich, »ich denke, ich werde Sie erst untersuchen. Vernehmungsfähig sind Sie sicherlich noch nicht.«
Dr. Bremer erhob sich und zeigte in Richtung eines weißen Paravents, der vor einem verdunkelten Fenster stand.
»Wenn Sie sich da bitte frei machen würden, ich will Sie dann untersuchen.«
Er ging zum Untersuchungsstuhl und zwängte seine Hände in enge Vinyl-Handschuhe.
Elisa rührte sich nicht vom Fleck.
»Frau … äh«, Dr. Bremer ging irritiert zurück zu seinem Schreibtisch und schaute auf die Akte, »Frau Schulte, … bitte, … ich muss Sie untersuchen.«
Elisa fragte sich kopfschüttelnd, wie man bei einem traumatisierten Entführungsopfer, was mit hoher Wahrscheinlichkeit auch vergewaltigt worden war, von einem Mann eine gynäkologische Untersuchung durchführen lassen konnte.
»Ich werde mich nicht untersuchen lassen und von Ihnen schon gar nicht«, sagte sie leise, aber bestimmt.
»Ach, so eine sind Sie«, nuschelte er, »… darum geht es Ihnen«, verbesserte er sich schnell, ließ sich dann sichtlich genervt wieder auf dem Stuhl hinter seinem Schreibtisch nieder und faltete seine Hände vor sich.
»Sie möchten sich lieber von einer Frau untersuchen lassen, ja?«
Elisa antwortete nicht, stattdessen blickte sie ihm unverwandt in die kleinen Augen, die hinter seiner runden Brille vermutlich noch kleiner wirkten, als sie in Wirklichkeit waren.
»Meine Kollegin, Dr. Schneider, ist heute den ganzen Tag für den Kreißsaal eingeteilt. Heute Vormittag sind die geplanten Kaiserschnitte dran. Ich weiß nicht, wann und ob sie überhaupt Zeit für Sie haben wird.«
»Ich werde mich nicht untersuchen lassen«, wiederholte Elisa.
»Sie MÜSSEN sich untersuchen lassen«, betonte Dr. Bremer und ergänzte, »da kommen Sie nicht drumherum, Frau äh …, das sind die Vorschriften. Die Beweise müssen gesichert werden und das geht am ehesten direkt nach der Tat. Die Staatsanwaltschaft verlangt das so.«
Elisa kam sich wie ein Tatort vor auf dem Beweise gesichert werden sollten. Was sie finden würden, war ihr klar. Sie stand auf, hielt sich am Tropfständer, der neben ihr stand, fest und schob ihn mit sich zur Tür.
»Frau äh, …, Frau Schulte, was machen Sie da?«, rief Dr. Bremer ihr verärgert hinterher.
»Ich gehe jetzt«, sagte sie wie selbstverständlich und öffnete die Tür.
Draußen auf dem Flur erblickte sie Basti, ihren Ex-Freund, und Kristina, ihre beste Freundin, die sofort von ihren Stühlen aufsprangen, als sie sie erblickten. Etwas weiter hinten erkannte sie ihren Vater.
Kristina, war die Erste, die sie erreichte und ihr mit Tränen in den Augen überschwänglich um den Hals fiel, dann herzte Basti sie.
»Frau Schulte, das geht nicht!«, schrie Dr. Bremer hinter ihr, »wir müssen die Beweise sichern – dazu gehört auch Ihre Kleidung. Sie verunreinigen Beweismaterial!«
»Bringt mich hier schnell weg«, flüsterte sie Kristina und Basti zu, während sie sich vorsichtig, gekonnt die Braunüle aus der Hand zog und die Vene mit dem Klebepflaster, was einst zur Befestigung diente, abdrückte.
Elisa würdigte ihren Vater keines Blickes und ließ ihn, wie vor den Kopf gestoßen, völlig perplex zurück.
30. Kapitel
Kaltes Licht, graues Linoleum und ein langer Flur mit vielen hässlichen hellgrünen Türen – eingehüllt in einem penetranten Geruch von menschlichen Ausscheidungen und roher Gewalt.
Allein der Gedanke, eingesperrt und auf
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