Fesselnde Entscheidung (German Edition)
Berührungen in ihr erwachte. Sofort versuchte sie diese
kranken
Gefühle, wie sie sie bezeichnete, sofort wieder zu unterdrücken und verbot sie sich.
Auch wenn ihr Körper nach seinem verlangte, konnte ihr Geist das nicht rational nachvollziehen. Immer wieder rief sie sich in Erinnerung, dass sie ihn eigentlich gar nicht kannte. Nur ihre Körper waren wie füreinander geschaffen. Mehr nicht.
Irgendwann gewann der Wunsch, ihn noch einmal zu sehen, ihn vielleicht nur noch einmal zu berühren, doch Oberhand, und es gelang ihr nicht mehr ihre Gefühle zu unterdrücken. Ihr tiefes Bedürfnis bereitete ihr fast körperliche Schmerzen.
Nach einigen schlaflosen Nächten fiel ihr ein, dass Fremde Kristina und sie oft für Geschwister hielten. Also beschloss sie kurzerhand, sich Kristinas Personalausweis auszuleihen.
Die Gefahr dabei und das hohe Risiko sah sie nicht.
35. Kapitel - Vier Wochen später
Tim hatte schlechte Laune und das schon seit Wochen.
Immer wieder war sein Prozesstermin nach hinten verschoben worden, und das raubte ihm langsam aber sicher den letzten Nerv. Er wollte endlich Gewissheit über sein Strafmaß haben, wollte wissen, worauf er sich einstellen musste. Dass es auf mehrere Jahre hinauslief, war klar, aber wie viele genau war ungewiss. Das konnte ihm selbst sein Pflichtverteidiger nicht seriös prophezeien. Er hatte sich durchgesetzt und den Pflichtverteidiger behalten. Spätestens als Tim von der Nebenklage erfahren hatte, war er sich sicher, dass Elisa ihn bluten sehen wollte.
Wozu also unnötig Geld in eine vorhersehbare Fehlinvestition pumpen?
Und mit den vielen Terminverschiebungen aus den unterschiedlichsten Gründen, die Tim alle für vorgeschoben hielt, fühlte er sich in seiner Annahme nur bestätigt, dass Elisa mit ihrer Armada von Anwälten dahinter steckte. Wahrscheinlich suchten sie in seiner Vergangenheit unaufhaltsam nach weiteren Delikten, die sie ihm auch noch zur Last legen konnten, um ein besonders hohe Strafe zu erzwingen, zog Tim in Erwägung.
Langsam machte ihn das Warten mürbe. Selbst Matteo vermochte ihn immer seltener mit seiner fröhlichen Art anzustecken und ihn aus seinen depressiven Gedanken zu reißen. Matteo, der 32-jährige Sohn einer Deutschen und eines Italieners, hatte immer einen Schalk im Nacken und Tim hatte sich mit ihm angefreundet - sofern man im Knast überhaupt von einer Freundschaft sprechen durfte.
Tim bewunderte Matteo für seinen schier unermüdlichen Optimismus. Matteo saß wegen Totschlags an seiner Freundin - oder wegen Mordes, die Entscheidung hatte der Richter zu treffen, in U-Haft. Diese Tatsache hatte Tim zunächst abgeschreckt. Aber schnell merkte er, dass die Zeit irgendwie schneller mit Matteo an seiner Seite verging und er sah ein, dass es ihm nicht zustand, über irgendwelche Häftlinge zu urteilen. Sie saßen alle im gleichen Boot – mal mehr, mal weniger schuldig.
Doch in letzter Zeit verbrachte Tim immer mehr Zeit in seiner Zelle und schloss sie von innen ab, weil er keine Lust auf irgendwelche Späßchen von Matteo oder den anderen hatte. Er fiel zurück in die Lethargie, in der er ganz am Anfang der U-Haft fast ertrunken wäre.
Maja hatte ihn nicht besucht. Genauso wenig wie sein Vater. Das tat ihm wirklich weh. Felix, sein ältester Bruder, war nur ein Mal da gewesen. Aber John, sein bester Kumpel, Simon und natürlich seine Mutter besuchten ihn so oft, wie es ihnen möglich war.
*
Tim lag auf seinem Bett und starrte die graue Decke über ihn an. Er dachte an nichts. Starrte nur vor sich hin. Seine Zelle war offen, aber der Lärm des Gefängnisalltags drang nicht bis zu ihm durch.
Als er im Augenwinkel jemanden in seine Zelle treten sah, glaubte er im ersten Moment, dass es Matteo sei. Er schaute zur Tür und erkannte dann aber einen Wärter.
»Besuch für Sie. Kristina Lange, Ihre Schwester.«
Voller Skepsis runzelte er die Stirn.
»Ich habe k…«, stutzte er und überlegte kurz. Entweder war es Maja.
Aber wieso sollte sie einen falschen Namen angeben?
Oder es war Elisa, was nahezu unglaublich wäre. Schließlich sagte er: »Eine Schwester. Ja, eine kleine Schwester.«
Auf dem Weg in den Besucherraum erblickte er kurz sein Spiegelbild auf einer Glastür. Er hatte abgenommen und seine kurz rasierten Haare schienen diesen Eindruck noch zu verstärken. Sein schwarzer Trainingsanzug, der ihm irgendwann mal gepasst hatte, war zwischenzeitlich eine Nummer zu groß geworden. Und seine Augenränder
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