Festung der Luegen
müssen Toleranz beweisen.«
»Ich fühle aber keine Toleranz. Ich fühle ein dringendes Bedürfnis, auf den Knopf zu drücken.«
»Ich rate davon ab. Wir müssen den Schein wahren.«
»Ja, Sie haben wohl Recht.« Widerwillig klappte er den Deckel über das Kontrollbrett.
Für eine Weile herrschte Stille. Cisco sah ihn an. »War das nur ein Scherz, Lordgouverneur?«
Er grinste dünn. »Mit dem Knopf? Ich schätze, schon. Mit dem Bedürfnis? Ganz und gar nicht.« Er blickte aus dem Fenster auf die wütende Menge hinaus. »Alle Menschen haben Bedürfnisse, Triebe, und die Mächtigen nicht weniger als alle anderen. Aber wenn die meisten Menschen die Beherrschung verlieren und ihren Impulsen nachgeben, geht vielleicht ein Fenster zu Bruch oder eine Stoßstange wird verbogen. Im schlimmsten Fall bricht ein Nasenbein. Im allerallerschlimmsten Fall lassen sich die Opfer an den Fingern abzählen. Wenn jemand wie ich die Beherrschung verliert, brechen Kriege aus, Planeten werden verwüstet, Tausende, wenn nicht Millionen sterben. Ich muss vor meinen Impulsen sehr auf der Hut sein, und wenn sich dann eine Lage ergibt, in der nicht mit Toten zu rechnen ist und das Opfer es eindeutig verdient hat, so ist das sehr, sehr verlockend.«
Cisco nickte. »Aber Sie widerstehen trotzdem.«
»Meistens. Aber nur zur Sicherheit verlasse ich mich darauf, dass meine Leute mich daran erinnern, wer ich bin. Betrachten Sie es als Prüfung. Sie haben bestanden.« Er schaute sich um. Die Menge hatte sich weitgehend aufgelöst und sie konnten zumindest in Ruhe weiterfahren, ohne Gefahr, jemanden zu überrollen. »Wohin fahren wir eigentlich?«
»Nirgendwohin, Lordgouverneur. Wir sind nur unterwegs, damit man Sie sieht.«
Er beobachtete ein paar Kinder, die eine Mülltonne aufklappten und mit dem Inhalt nach ihnen warfen. »Und wie genau hilft mir das?«
Sie hob die Augenbrauen. »Ich habe Ihnen eine Zusammenfassung geschickt. Ich war davon ausgegangen, dass Sie sie auch gelesen haben.«
»Vor einem Monat hätte ich alles gewusst, was es über diesen Planeten zu wissen gibt. Jetzt habe ich Sie, damit ich mich nicht mehr mit solchen Details befassen muss. Ich habe einen Krieg zu gewinnen. Ich muss mich darauf verlassen können, dass Sie sich um alles kümmern, wofür Sie zuständig sind, ohne dass ich Sie überwachen muss. Also sagen Sie mir, was wir hier tun.«
»Poznan ist ein früheres Mitglied des Herzogtums Liao. Unter der Kontrolle des Herzogtums haben Einwanderer chinesischer Abstammung die ursprünglich herrschenden Nachkommen der hispanischen Kolonisten zu einer unterdrückten Minderheit gemacht. Eine feine Tradition des Hasses, die sich unter der Herrschaft der Konföderation Capella jahrhundertelang fortsetzte. Die Unterdrückung wurde zwar gemildert, als die Republik der Sphäre die Regierung übernahm, aber sie wirkt noch nach.« Sie deutete aus den Fenstern. »Das sind übrigens Mitglieder der hispanischen Minderheit, die uns gerade mit fauligem Obst bewerfen.«
»Schön zu wissen. Und ich vermute, die Leute mit den >L iao , befreie UNS!<-Schildern waren Chinesen?«
»Genau, aber das war ein Stück zurück. Die Chinesen kommen nie über die Xu-Allee westlich der Alicantestraße.«
Aaron schüttelte den Kopf. »Das ist barbarisch.«
»Die anderen ursprünglichen Kolonisten will ich gar nicht erwähnen. Die waren polnischer Abstammung. Sie haben einen Bürgerkrieg gegen die Hispa-nier verloren und hassen sie immer noch mit Inbrunst. Ich bin sicher, wenn wir auf die andere Seite der Stadt in deren Viertel fahren würden, so würden sie uns auch mit fauligem Obst bewerfen.«
»Wundervoll. Ich kann es kaum erwarten. Fahren wir.« Er rieb sich das Kinn. »Sie haben mir immer noch nicht erklärt, wie mir das nutzt.«
»Insgeheim sind die Leute, die uns mit Obst bewerfen, froh, dass Sie hier sind und Ihnen zuhören, ohne zurückzuschlagen, ohne ...« Sie deutete auf die Armstütze, in der der Knopf verborgen war. »Und die Leute, die sie unterdrücken, sind ebenso froh, dass Sie aus der Nähe gesehen haben, mit welchen >Problemen< sie kämpfen, und keine Angst davor haben. Zumindest werden sie das alle sein, nachdem Sie ein paar Reden gehalten haben, die ich für Sie schreiben werde, und ein paar Meldungen unterschrieben haben werden, für die ich sorgen werde. Wenn wir das richtig anpacken, können wir dafür sorgen, dass sie einander noch mehr hassen und Sie zumindest etwas schätzen.« Sie widmete sich wieder ihrer
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