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Festung Zehn

Festung Zehn

Titel: Festung Zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Bunch
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kippten seine blauen Augen in seinem kalkweißen Gesicht nach vorn und nach unten; sein Kopf fiel nach vorne, als ob er versuchte, den Augen dorthin zu folgen, wohin sie fielen. Und aus einer großen aber unsichtbaren Wolke heraus, die seinen vor Niedergeschlagenheit weit aufgerissenen Mund zu umhüllen schien. »Eine Festung! Ich habe diesen ganzen langen Weg zurückgelegt, und es ist eine Festung! In einer Festung gibt es keine Maschine der Glückseligkeit. Es könnte nicht sein.
    Oh, das war es, das mich antrieb weiterzugehen – die Hoffnung darauf. Man sagte es mir. In den dunstigen gefährlichen schauerlichen Reum-Bergen, als die großen Geier der Finsternis mit feuchten Schwingen auf mich sprangen und mich mit ihren Schnäbeln zu Boden warfen, erhob ich mich und ging weiter. Und an einem sehr düsteren, vom Regen durchnäßten unseligen Morgen erwachte ich inmitten eines weißen Kreises von langzähnigen warzenhäutigen Verwahrgostgierern, und, oh, es wäre so viel leichter gewesen, so sehr weniger mühevoll, sich einfach schlafend zu stellen, während sie mich in Stücke rissen und mit dem Tod die Hülle meiner Seele öffneten. Aber nein! Ich stand auf, ich erinnerte mich an die Weissagung. Ich zog meinen Umhang um mich. Ich ging. Ich ging weiter. Ich verließ sie, als sie mich mit leeren Fängen anstarrten. Ich dachte an meinen Bestimmungsort. Und jetzt – war es ein Traum! Ich bin zum Narren gehalten worden! Bringen Sie mich zu Ihrer Maschine der Glückseligkeit!«
    Er wurde hysterisch. Er plapperte, als ob er zu einer Maschine gehen und in ihr sitzen wollte, die auf Schönheit und Wahrheit und Liebe geeicht war, und glücklich sein wollte. Er brach zusammen. Ich sah, daß ich ihn für einen weiteren Versuch aufrütteln mußte, um ihn hinter meine Mauern zu bringen. »Mein Herr«, sagte ich, »Sie haben zweifellos die großen Wolken gekannt und das Ausbleiben der Sonne und die vom Regen durchnäßte graue Dämmerung der Zeit ohne Hoffnung. Sie haben sich – das glaube ich – im Unglück und inmitten der singenden Messer der Not erhoben, und alles, was Sie zu Ihrer Unterstützung hatten, war das, was Sie mitgebracht hatten. Es gab keine Armeen, die sich für Sie auf anderen Schlachtfeldern sammelten, keine Onkel, die in fernen Ländern jenseits von Meeren Gelder beschafften; vielleicht gab es nicht einmal Kinder, die Vati in den Reum-Bergen abholten und im Tode nicht einmal eine Witwe, die den Körper für sich beanspruchen und ihn zur Sonne weinen würde. Und doch trotzten Sie allem, entkamen irgendwie dem immer enger werdenden Ring des Unglücks und bewegten sich hier herunter. Ich bewundere Sie. Es tut mir wirklich leid, daß ich nicht das habe, was Sie wollen. Und obwohl Sie eine Art Narr sind, in meiner Denkweise, da Sie in Fleisch herumlaufen und nach einem reinen Etwas suchen, das vielleicht nicht existiert, wünsche ich Ihnen Glück, während ich die Tore zurückstoße und den Weg für Ihr Vorankommen freigebe. Sie finden vielleicht, irgendwo auf Ihrem Weg, jenseits vieler Berge und kahlem Land, diese Maschinen der Glückseligkeit, nach denen Sie rufen.« Er zitterte, als ich von Bergen sprach, aber er bewegte sich durch die Tore hinaus.
    Und obwohl ich sicher war, daß er auf die Art und Weise, in der er ging, nichts finden würde, war es mir nicht völlig möglich, ihn zu vergessen. Was veranlaßte eine solche Kreatur, obwohl sie für jede Errungenschaft schlecht ausgerüstet war, auf die letzte und unmöglich große Errungenschaft zu hoffen, auf Glückseligkeit? Und dazu war es eine so merkwürdige Art und Weise, in der er sie zu finden erwartete, Glückseligkeit, die von einer magischen Maschine verteilt wurde, welche auf Schönheit und Wahrheit und Liebe geeicht war. An einem strahlenden Ort am Ende einer langen Reise.
    Wenn man ihn reden hörte, nahm man an, daß Glückseligkeit auf Dingen beruhen könnte, die so schwach wie Lilien waren. Wie seltsam. Macht ist Freude, Stärke ist Vergnügen; setzen Sie Ihr Vertrauen nur in die dicke Mauer mit dem Sichtschirm und den Warner. Aber manchmal denke ich trotz meinem Wesen an diesen vom Fleisch gepeinigten kleinen Mann und frage mich, wo er wohl ist.
    Und wenn ich mich wohlfühle, meine Fleischstreifen mit den komplizierten Flüssigkeiten intravenös füttere, wobei ich weiß, daß ich mit der Hilfe der Neumetallegierungen praktisch ewig leben kann, überkommt mich ein undeutliches Unwohlsein, und ich versuche, mein Leben kritisch einzuschätzen.

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