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Festung Zehn

Festung Zehn

Titel: Festung Zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Bunch
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ZERSCHMETTERT! Und er starrte mich mit dem geraden unverrückbaren Starren an, das, wie ich unwillkürlich dachte, das aufrichtige-aufrichtige Starren einer verliebten Neumetallschlange sein mußte, und er schob seine Zehen über die Linie, unerbittlich über die verbotene Niemals-Niemals-Linie. Während ich dastand und nichts tat; unter diesem Starren tat ich nichts.
    Meine Fleischstreifen waren erstarrt; meine Hände waren so schwer wie zwei riesige Hämmer, die ein Gigant niemals aufheben konnte. Und er kam weiterhin näher, war jetzt mehrere Zentimeter diesseits der Linie und bewegte sich immer noch, die Augen hielten mich fest und die Wunderblumen waren ungefähr in Augenhöhe und drehten sich langsam. Oh … OH … Es kann sein, daß schreckliche Schreie aus den untersten Säcken meines Atemraumes die Luft zerrissen; es kann sein, daß sie es nicht taten. Ich weiß nur, daß ich es nach einer Weile nicht aushalten konnte, und lange bevor er so nahe an den Guckkasten aus Stahl herankam, daß er ihn greifen konnte, stürzte ich von der Tür weg, und langsam, so langsam wie wir laufen, eilte ich zu ihm, mit dem langsamen Eilen der »ersetzten« Fleischstreifenmenschen, das aber das beste war, was wir leisten konnten. Und als wir uns trafen, nach all dem angestrengten Streben, die Lücke zu schließen, umarmte ich die rauhen schönen Blumenblätter und immer wieder schrie ich: »Ein Wunder! Ein Wunder! EIN WUNDER!« Und er betrachtete mich weise mit dem liebenden Schlangenstarren und sagte nichts. Aber nach einer Weile, als es mir möglich war, die Blumen loszulassen, gab er mir etwas, das ich als seinen Segen ansah, und trat langsam zurück. Zurück über die Linie. Dort hielt er mir einen kleinen Vortrag, erklärte mir, wie froh er sei, mir diese Verzückung zu bringen, das wahre Sich-Zeigen von Gott selbst, und er hoffte, daß ich niemals ohne sie sein würde. Dann erklärte er, wie Gottes Arbeit in Seinem Sinne irgendwie getan wird, aber damit sie manchmal besser getan wird, wäre es besser, wenn derjenige, dem die Wohltat zuteil wurde, ein wenig helfen würde, um ihn von der Blumenhand zu dem nächsten gottesbedürftigen Ort hinunterzuschicken. Kurz, es kostete Geld, und ob er etwas haben könnte, nicht um ihn zu bezahlen – NIEMALS! sondern um ihm helfen zu helfen? Natürlich gab ich ihm ein großzügiges Geschenk aus meinem Schatz, und ich ordnete an, daß ein Waffenmann zusätzlich einen sehr besonderen und wertvollen blutroten Edelstein bringen sollte, den er, der Gottesfürchtige, wie ich hoffte, in seinen Blumenstrauß als ein ewiges Andenken an diesen, für mich, großen Tag einfügen konnte. »Oh, NEIN!« sagte er, aber er nahm ihn und steckte ihn, den wertvollen Edelstein, für schwere Zeiten (wie er sagte) zusammen mit den anderen Schätzen unter seine Brustplatte. Und dann bemerkte ich das erste Mal, ohne daß es mich wirklich besonders stark erschütterte, eine sonderbare Sache: die Hand, mit der er das Geld und den Edelstein wegsteckte, bestand noch fast ganz aus Fleisch, war eine schöngeformte feinnervige, vorwiegend fleischerne Hand, eine, bei der man sich vorstellen konnte, wie sie sich um ihren sanften Bruder in sanftem Gebet faltete, immer im Gebet … BETENDE HAND!
    Dann war er über den Festungsplatz verschwunden, und als letzten Befehl, kurz bevor ich zusammenbrach und viele viele Tage lang in einem schönen himmlischen Traum lag, ordnete ich an, daß die Tore geöffnet werden sollten, damit dieser wunderbare wundersame Mann seinen wunderbaren wundersamen Weg weitergehen konnte.
    Natürlich traf es mich, in der ersten halben Stunde nachdem ich aus meinem langen träumerischen Schlaf erwacht war, ausgeruht und bereit, wieder zu der Welt zu gehören – traf es mich, wie es war! WIE ES GEWESEN SEIN MUSS! Zuerst war ich ganz versessen darauf, meiner Nachbarfestung die Warnung zuzustrahlen, denn der Mann mit der Blumenhand mußte wahrscheinlich bei seiner Gehweise in kurzer Zeit dort sein. Aber dann dachte ich NEIN, sollte es die gute alte Nachbarfestung auch mitmachen. Würde ihm wahrscheinlich guttun. Und stand es nicht uns allen bevor? Aber ich konnte nicht umhin, mich zu fragen, wie lange es dauern würde, bis irgendjemand das Rätsel rechtzeitig und völlig selbständig lösen würde, das darin bestand, daß, wenn sich der gute alte Windmühlen-Blumenhand-Mann sich für einen Augenblick drehte, um scheinbar andächtig zu beten, jenes krampfhafte schulterzuckende Beten für die Sünden

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