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Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02

Titel: Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Nacht der Elfen
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auszuschlafen. Daher schlug sie ein rasches Kreuzzeichen und stand auf, wobei es durchaus in ihrer Absicht lag, dass der Betschemel auf den Steinplatten entlangschabte und der schwere Wandbehang, der die Gebetsecke abschirmte, geräuschvoll zur Seite schlug.
    Falls er eingenickt war, so hatte der Bischof einen tiefen Schlaf, oder aber eine lange Erfahrung hatte ihn gelehrt, in einer solchen Situation nicht beim Erwachen hochzufahren. Er regte sich unmerklich und öffnete für eine halbe Sekunde die Augen, um daraufhin noch eine ganze Weile zu beten, während die junge Königin sich verunsichert im Hintergrund hielt und nicht wusste, was tun, ja nicht einmal wagte, sich zu rühren, aus Angst, ihn zu stören.
    Endlich bekreuzigte er sich, den Kopf demütig gesenkt, und erhob sich schwerfällig, während er einen tiefen Seufzer ausstieß. Bedwin hatte sich gleich bei seiner Ankunft in Loth seiner amtsspezifischen Insignien Stola, Messgewand, Mitra und Bischofsstab entledigt und trug einen Bliaud, ein langes Gewand mit weitem Kragen, das ihm eher das Aussehen eines Grandseigneurs als das eines Klerikers verlieh, ihm jedoch bei der Hitze zumindest erlaubte zu atmen. Er strich sich mit einer seiner fleischigen Hände durch das braune, leicht gewellte Haar, das ebenso sorgsam gepflegt war wie sein Spitzbart, der sein fettes Doppelkinn kaschieren sollte, und wandte sich zu Igraine, deren fragendem Blick er sich entzog, indem er mit einem Lächeln auf den Lippen aus der Gebetsnische hinaustrat und sich zu einem Fenster begab, wo er scheinbar völlig in die Betrachtung der Landschaft versank. Dann riss er sich wie widerwillig los und setzte sich auf eine gepolsterte, mit kostbarem Stoff bezogene Bank. Endlich sah er Igraine direkt in die Augen und lud sie mit einer Geste ein, sich zu ihm zu gesellen.
    »Meine Tochter«, begann er und ergriff ihre Hand. »Ich weiß um deine Frömmigkeit und all das Gute, das du unserer Mutter Kirche tust. Und doch lebst du im Zustand der Sünde ...«
    Igraine protestierte, doch er gebot ihr Einhalt, indem er den Druck auf ihre Hand verstärkte.
    »Ich weiß ... Der Herzog hat dir Gewalt angetan, ebenso aus Wollust wie aus Gefallen an der Macht. Und was konntest du schon machen, hm? Natürlich, eine Heilige hätte sich umgebracht, aber wir sind keine Heiligen, nicht wahr?«
    Igraine war nicht in der Lage zu antworten, die Kehle hatte sich ihr zusammengeschnürt, und in ihren Augen schimmerten bereits Tränen.
    »Der wahre Glaube führt einen großartigen Kampf«, fuhr der Bischof fort. »Einen Kampf, der den Lauf unserer armseligen Existenz bei weitem übersteigt. Diese Prüfung, die der Himmel dir schickt, hat vielleicht letztendlich ihr Gutes ... Wer sind wir, dass wir über Gottes Willen urteilen könnten? Domini viae impenetrabiles sunt  ... Jeder von uns muss dem Herrn auf seine Weise dienen, damit das Wort Gottes sich in den Herzen der Menschen entfaltet... Begreifst du, was ich da sage?«
    Er drehte sich zu der jungen Königin um und war bestürzt über ihren Gesichtsausdruck. Die Tränen in ihren Augen waren kein Zeichen der Schwäche, sondern zeugten von Zorn. Ein Ekel vor sich selbst, ein Gefühl des Grauens, das sie heftig schüttelte, trieb ihr die Röte in die Wangen und war die Ursache, dass ihre Lippen bebten.
    »Ich hasse diesen Mann«, murmelte sie mit tonloser Stimme. »Ich hasse diese Königsburg, ich hasse diese Krone und alles, wofür sie steht... Meint Ihr, ich hätte nicht gern sterben mögen? Ohne Bruder Blaise wäre ich schon längst aus dem Leben geschieden, noch lange bevor Sire Gorlois es gewagt hat, sich an mir zu vergreifen. Lange bevor der König getötet wurde. Ich wäre bereits seit Ewigkeiten nicht mehr hier auf Erden!«
    Sie löste mit einem Ruck ihre Hände aus dem Griff des Bischofs, erhob sich jäh und lief bis ans andere Ende des Raumes, wo sie den ledernen Vorhang vor einem quadratischen Fenster beiseite zog.
    »Wenn es mein Leben ist, auf das Ihr es abgesehen habt, erteilt mir die Absolution, und ich stürze mich mit Freuden in den Abgrund!«
     »Nein, nicht doch!«
    Bedwin machte eine besänftigende Geste, aber sein Blick verriet seine panische Angst.
    »Komm und setz dich wieder neben mich«, sagte er. »Du bist noch ein Kind und begreifst nicht, was der Herr von dir erwartet. Das ist normal... Dafür bin ich ja da. Lass mich es dir erklären ...«
    Igraine verharrte reglos, die Hand um das dicke Leder gekrallt, den ganzen Körper von krampfartigen

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