Fettnaepfchenfuehrer Italien
9 – nove, 10 – dieci (»djetschi«)). Das ist allemal besser, als sich gleich zu setzen – selbst wenn ihnen das Personal zu verstehen geben sollte, dass Sie sich hinsetzen können, wo sie möchten. Gefällt Ihnen der Ihnen zugewiesene Tisch nicht, können Sie das gerne dem Personal deutlich machen und nach einem anderen fragen, dies wird nicht als unhöflich empfunden.
Wie Paul Weiss beim Käsestreuen danebengreift
Manche Kleinigkeiten sind eben keine Kleinigkeit
Merkwürdigerweise standen Kerzen auf dem Tisch. Merkwürdig deswegen, da ihre Wirkung, ihr warmes Licht, im Neonlicht komplett unterging. Tischdecken dagegen sparte sich der Wirt, aber das war nicht ungewöhnlich. Stattdessen brachte die resolute ältere Kellnerin schnell zwei Platzdeckchen aus Papier und in Servietten eingewickeltes Besteck. Eleganz war in diesem Lokal ein Fremdwort, auch die Bedienung war eine rustikale Erscheinung: Sie hatte sich eine Schürze umgebunden, auf der dieser und vielleicht auch einige vorhergehende Arbeitstage bunte Spuren hinterlassen hatten. Ihr Haar war lieblos zusammengebunden, aber immerhin waren ihre Fingernägel frisch und knallrot lackiert.
Paul Weiss wunderte sich: Da putzen sich die Italiener stets raus, und wenn sie auch nur kurz zum Einkaufen um die Ecke gehen. Und dann trifft man in einem Lokal auf geradezu den Gegenentwurf dazu. Vielleicht ist es ja so, dass die Bedienung ihr Tun als bloße Arbeit verstand, so wie auch Fabrikarbeiter sich für das Arbeiten nicht schön machten, dachte sich Paul Weiss, der davon freilich wenig Ahnung hatte, zumindest nicht aus eigener Erfahrung. Er hatte studiert, war Diplomingenieur geworden und arbeitete für einen mittelständischen Automobilzulieferbetrieb. In der Fabrikation ist er aber nie tätig gewesen, sein Aufgabengebiet war schon immer die Logistik und Planung, und deswegen war er jetzt auch hier: Sein Betrieb, die Hermann Koch & Co KG, hatte einen kleineren italienischen Konkurrenten übernommen, und er musste jetzt einiges organisieren, etwa wie man künftig die Warenströme besser aufeinander abstimmen kann. Manchmal war er froh, dass er sich nicht um das familiäre Gedöns kümmern musste, wie er es nannte, und einfach in die Arbeit abtauchen konnte. Seine Frau hatte im Wesentlichen die zwei Kinder, Franziska und Volker, erzogen.
»Wie lange bleibst Du eigentlich hier?« fragte Franziska.
Paul Weiss strich eine Falte aus dem Papierdeckchen. »Das weiß ich noch nicht genau.« Er überlegte einen Moment. »Das hängt ganz davon ab, wie die Kooperation mit der Pelaccia s.r.l. Läuft.«
»Das ist das Unternehmen, das ihr gekauft habt?«
»Genau.«
Die Bedienung kam an den Tisch, legte zwei Speisekarten auf den selbigen und strich sich über ihre Schürze. »Etwas zu trinken?« fragte sie.
»Ich denke, wir nehmen einen Wein, oder?« fragte Franziska ihren Vater.
»Gerne. Einen Roten?«
»Gern«, antwortete Franziska. Sie bestellte einen Liter Hauswein und eine Flasche Mineralwasser.
»Mit Kohlensäure oder Natur?« fragte die Bedienung. Franziska wollte Wasser ohne Kohlensäure.
»Ich habe jetzt einfach mal Wasser ohne Kohlensäure bestellt«, sagte sie zu ihrem Vater. »Man hat hier meistens die Wahl zwischen Wasser mit viel, wenig und gar keiner Kohlensäure«, fügte sie erklärend hinzu.
»Ich weiß, ich habe Deine Bestellung sogar verstanden.«
»Also hatten die Italienurlaube schon ihren Nutzen, was?« sagte Franziska und grinste.
»Da hast Du recht«, sagte Paul Weiss und musste lachen, obwohl es eigentlich gar nicht lustig gewesen war, was Franziska gesagt hatte. Vielleicht war es ein Verlegenheitslachen.
Die beiden beschlossen, ganz klassisch zuerst Antipasti zu bestellen, dann ein Primo . Und wenn dann noch Platz wäre, ein Secondo .
Paul Weiss hatte sich auf seine Geschäftsreise gefreut, auch, weil er die italienische Art und Weise zu essen mochte. Auf lange Sicht machten die vielen Gänge einen zwar dick, war seine Überzeugung, aber auch das deutsche Essen war nicht ohne Spuren an ihm vorbei gegangen, wie er beim wöchentlichen Blick auf die Waage immer wieder aufs Neue feststellen musste.
»Wenn wir das volle Programm machen, musst aber Du zahlen«, sagte Franziska.
»Das sowieso.«
»Schön, danke.«
In der Folge brachte die Bedienung zunächst eine Platte mit gemischten Antipasti : eingelegtes und gegrilltes Gemüse, allerlei Frittiertes, Reisbälle, Zucchiniblüten, Pilze, dazu auch noch Fisch. Franziska hielt sich
Weitere Kostenlose Bücher