Feuer der Leidenschaft
überrascht. Zu jener Zeit hatte Sir Anthony ein Porträt von Hermio-ne gemalt, und sie war schön und sittenlos. Er konnte nur hoffen, daß sein Vater nichts von dieser Affäre gewußt hatte.
»Aber trägt sie sich denn jetzt, wo sie Witwe ist, noch immer mit der Absicht, Sir Anthony zu heiraten?«
»Anthony hat die Affäre mit ihr sofort beendet, als Heien starb, und seither mit Hermione nichts mehr zu tun gehabt«, antwortete Lavinia mit offensichtlicher Befriedigung.
»Heien hätte sich sehr darüber gefreut, wenn sie das noch erlebt hätte. Eure Stiefmutter ist exakt jener Typ von Frau, vor dem sie Anthony bewahren wollte.« Sie grinste. »Zudem ist Hermione gerade im Begriff, einen Edelfisch an Land zu ziehen. Ich habe aus sicherer Quelle erfahren, daß sie demnächst Lord Fry-don heiraten wird - in aller Stille natürlich, da ihre Trauerzeit noch nicht abgelaufen ist. Er ist sündhaft reich und ein absolutes Ekel. Sie wird diesen Schritt bereuen.«
Demnach schien Hermione beschlossen zu haben, ihre Hoffnungen gar nicht erst auf den Herzog von Ashburton zu setzen, überlegte Kenneth. Schließlich war ein reicher Graf in der Hand immer noch besser als zwei Herzöge auf dem Dach. »Hoffentlich ist Eure
Quelle auch zuverlässig. Ich bin nämlich von der An- ) nähme ausgegangen, daß Hermione sich nie mehr ver- •
heiraten würde, weil der Preis einer zweiten Ehe für sie zu hoch wäre. Nach dem Testament meines Vaters fällt nämlich das ganze Vermögen bis auf ihr Wittum wieder an den gesetzlichen Erben zurück, falls sie sich wieder verheiraten sollte. Das würde bedeuten, daß das Londoner Haus und etliche als Treuhandvermögen angelegte Apanagen in meinen Besitz übergingen.«
»Oh, keine Bange, sie wird Frydon heiraten. Er ist !j nicht nur ein sehr, sehr reicher Mann, sondern ihm gehören auch die berühmten Frydon-Juwelen, und Hermione ist eine Frau, die im Augenblick einen Schmuck dringend nötig braucht.« Und mit einem Augenzwinkern fügte Lavinia hinzu: »Ich weiß zwar nicht, wie Ihr das angestellt habt, aber ich kann Euch nur dazu beglück-wünschen.«
»Ich hatte damit nichts zu tun«, versicherte er ihr, bevor er zu ihrem eigentlichen Thema zurückkehrte. »Gibt es vielleicht eine Frau, die Sir Anthony gefährlich werden könnte, weil er ihre Liebe nicht erwidert hat?«
Lavinia schüttelte den Kopf. »Seine Affären waren * stets nur leichter und freundlicher Natur, und ich spreche hier als jemand, der ihn seit vielen Jahren sehr genau beobachtet hat. Es hat nie eine unerfüllte oder gar verschmähte Liebschaft in seinem Leben gegeben.«
»Vielleicht könnten uns da die Tagebücher in Ravensbeck noch irgendwelche Hinweise geben«, sagte Kenneth in einem nicht sonderlich zuversichtlichen Ton.
»Dafür scheinen mir Helens Tagebücher allerdings besser geeignet zu sein.«
Er setzte sich kerzengerade auf. »Lady Seaton hat ein Tagebuch geführt? Das höre ich jetzt zum erstenmal!«
»Ich bin mir nicht sicher, ob Anthony und Rebecca das wußten. Heien hatte in ihren Journalen weniger die täglichen Ereignisse sondern vielmehr ihre Gefühle und Impressionen festhalten wollen.«
»Und wo sind diese Tagebücher?«
»Ich habe sie«, erwiderte Lavinia gelassen. »Als Heien mich damals bat, für Anthonys Wohl zu sorgen, hatte sie auch zu mir gesagt, daß ich ihre Tagebücher verbrennen müßte, wenn ihr etwas zustoßen sollte. Ich frage mich jetzt, ob sie ihren Tod vorausgeahnt hat.«
»Aber Ihr habt sie nicht verbrannt?« fragte Kenneth hoffnungsvoll.
»Nein.« Und nach einigem Zögern fuhr sie fort: »Ihre Tagebücher sind so etwas wie eine Verbindung zu ihr.
Wenn ich sie verbrennen würde, ginge dieses Band verloren. Aber ich habe auch nicht den Mut, sie zu lesen. Das wäre zu qualvoll für mich.«
»Dann überlaßt sie mir für eine Weile. Vielleicht kann ich darin einen Hinweis auf den Täter finden, der heute nacht den Brandsatz in Sir Anthonys Studio geschleudert hat.«
»Es ist einen Versuch wert.« Lavinia erhob sich nun von ihrem Stuhl. »Ich bin überzeugt, daß Ihr ein ausgezeichneter Ermittler seid, wenngleich die Umstände Euch die Arbeit nicht gerade erleichtern.«
Kenneth blickte sie scharf an und fragte sich, wieviel sie wohl inzwischen erraten haben mochte. »Ihr seid eine beängstigende Frau, Lavinia«, sagte er.
Sie schenkte ihm ein engelgleiches Lächeln. »Ich beobachte nur, was denn in der Welt, die mich umgibt, so alles vor sich geht. Gute Nacht, Captain.« Damit
Weitere Kostenlose Bücher