Feuer der Lust - Page, S: Feuer der Lust
Nach draußen zu sehen bedeutete, dass sie auch Devlin sah, der auf seinem Pferd neben der Kutsche dahintrabte.
Und da war er. So riesig sein Pferd auch war, er sah ebenso kraftvoll aus wie das Tier. Seine Bewegungen waren voller Leichtigkeit und Anmut, und gleichzeitig hielt er die Zügel mit Entschlossenheit und Selbstbewusstsein. Sie war äußerst erleichtert, ihn in Sicherheit, lebendig und unverletzt zu wissen, und sie liebte es, das sanfte Auf und Ab seiner Schultern zu beobachten. Was die Art betraf, wie er die Schenkel gespreizt hatte …
Er fing ihren Blick auf und lächelte. Das Sonnenlicht ließ sein Gesicht in warmem Gold und sanftem Rosé leuchten und verwandelte sein Haar in schimmernde Bronze.
„Das hier ist völlig absurd!“, rief sie aus dem offenen Fenster. Nach der schrecklichen Szene vor Devlins Haus hatte sie noch lange Zeit gezittert. Sie hatte sogar vor lauter Nervosität das Seidenband an ihrem Retikül abgerissen. „Du kannst mich nicht diese Straße entlang begleiten. Die Leute werden sofort wissen, was das zu bedeuten hat.“
Er senkte seinen Kopf. „Ich bin nicht ständig als Erpresser und Räuber unterwegs, meine Liebe. Es ist durchaus schon vorgekommen, dass ich junge Damen eskortiert habe – um sie vor den übrigen Gestalten zu beschützen, die die Straßen unsicher machen.“
„Was du nicht sagst“, murmelte sie vor sich hin. Und was machte er dann mit diesen jungen Frauen? Was erwartete er von ihnen als Gegenleistung?
Sein Körper bewegte sich graziös im Takt mit den Pferdehufen. „Und es gab alleinreisende Witwen, die meinen Schutz sehr zu schätzen wussten.“
Nun, das beantwortete ihre Fragen. „Zweifellos.“ Sie zuckte zusammen, als sie die Schärfe ihres Tons bemerkte.
Sein klares Lachen stieg zu den Baumkronen auf. „Ich habe während der vergangenen Stunden mit einer Erektion im Sattel gesessen, Liebste – es ist also nicht nötig, dass du dir Gedanken machst, ob ich genügend gelitten habe.“
„Das solltest du auch …“, begann sie und freute sich auf die scharfzüngige Neckerei, die nun zweifellos zwischen ihnen beginnen würde, als ihr plötzlich klar wurde, dass er vor Marcus’ Dienern das Wort „Erektion“ benutzt hatte.
„Sir!“, schrie sie in empörtem Ton und zog sich eilig vom Fenster zurück, wie es eine sittsame Frau getan hätte.
Demonstrativ schaute Grace aus dem gegenüberliegenden Fenster, während ihr Herz wie wild pochte und ihr Magen bei jedem Ruck der Kutsche in die Höhe hüpfte. Er hatte gesagt, er hätte sie entführt, um mit ihr für ein paar Tage eine Affäre zu haben. Es sei ihm um ein wenig Vergnügen und um lustvollen Spaß gegangen.
Doch warum begleitete er sie nun? Warum hatte er gesagt „Grace, ich kann dich nicht gehen lassen“? Natürlich konnte er das. Sobald sie ihr Ziel erreicht hatte, würde er zu seinem Haus zurückkehren, oder etwa nicht?
Sie biss sich auf die Unterlippe, weil sie nicht die geringste Ahnung hatte, was Devlin zu tun gedachte. Den ganzen Tag hatte sie kaum etwas gegessen und wusste, dass sie ihre Verwirrung nicht so rasch überwinden würde. Auch schlafen konnte sie nicht. Sie saß einfach nur da und starrte aus dem anderen Fenster, ohne irgendetwas wahrzunehmen, während sie sich des Straßenräubers, der neben der Kutsche ritt, nur allzu bewusst war …
Als die Kutsche langsamer wurde, fuhr sie hoch. Mit zusammengebissenen Zähnen wandte sie sich wieder dem Fenster auf Devlins Seite zu und schaute hinaus. Sie hatten Portsmouth hinter sich gelassen und folgten nun einer schmalen Straße, die am Ufer des Kanals entlangführte. Ein Straßenschild zeigte an, wo es nach Netley und Southampton ging, und direkt unter diesem Schild hielt die Kutsche.
Sie standen neben zwei steinernen Pfosten – einer davon trug in frischer Farbe die Aufschrift Land’s End. Der Teil des Landes, der diesen Namen trug, lag nicht hier, sondern viel weiter westlich, diese Inschrift drückte nur die Fantasie des Grundstückseigentümers aus. Grace klopfte gegen das Dach, und die Kutsche bog in den schmaleren Weg zwischen den Pfosten ein. Jetzt konnte sie sich schon fast das Salz von den Lippen lecken, während sie das ferne Tosen der Wellen gegen die Felsen hörte. Das musste das Wasser des Solents sein, eines Seitenarms des Kanals, welcher die Isle of Wight vom Festland trennte.
Devlin ritt jetzt voraus, da es auf dem schmalen Weg zu gefährlich war, neben der Kutsche zu bleiben. Schön und gut. Jetzt hatte sie
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