Feuer der Nacht
wies alle Merkmale einer Tat im Affekt auf – ein Streit, der total eskaliert war. Wenn dem so war, sollte er vielleicht Madelyn Wilde genauer unter die Lupe nehmen, denn hier hatte er es mit einer Mutter zu tun, die ihre Tochter verteidigte.
»Hier lang«, sagte Madelyn knapp und führte ihn, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, durch den Gang zu ihrem Büro; ihre Absätze klapperten etwas auf dem Läufer, der den glänzenden Hartholzboden schützte. Eric folgte ihr, wobei er sich keinen Blick auf Jaclyn erlaubte, als er an ihr vorbeiging. Mit Ärger konnte er umgehen; sie in dem Zustand zu sehen hatte ihn irgendwie angeturnt. Mann. Aber etwas an ihr hatte ihn ja von Anfang an angeturnt. Was er in ihren Augen nicht sehen wollte, war Hass; und er fürchtete, dass sie ihn jetzt wohl wirklich hasste.
Madelyn betrat ein Zimmer ganz am Ende des Gangs. Eric folgte ihr, zog die Tür hinter sich zu und nahm sich einen Augenblick Zeit, um sich umzuschauen. Das Zimmer hatte etwas sehr Feminines – Lampenschirme mit Fransen, ordentlich gerahmte Kunstwerke und Stühle, die auf Frauen zugeschnitten waren. »Bitte«, sagte sie, wobei sie auf einen der Stühle deutete, während sie an ihrem Schreibtisch Platz nahm. »Setzen Sie sich.«
Eric nahm die Stühle in Augenschein, wählte einen und ließ sein Gewicht vorsichtig darauf nieder. Er stieß einen Seufzer der Erleichterung aus: Das Ding war solider, als es aussah, allerdings etwas zu niedrig für seinen Geschmack. Er hatte das Gefühl, als seien seine Knie auf Brusthöhe, und so streckte er zum Ausgleich die Beine aus. Als er aufblickte, bemerkte er, dass Madelyn ihn mit grimmiger Befriedigung betrachtete, als wäre ihr klar, wie unangenehm er den niedrigen Stuhl finden musste.
Er nahm seinen Stift und sein Notizheft heraus, blätterte darin herum, bis er die Seiten fand, auf denen er die Einzelheiten von Jaclyns Verhör am letzten Abend festgehalten hatte. »Danke, dass Sie sich bereiterklärt haben, mit mir zu sprechen«, sagte er höflich in der Hoffnung, die Wogen zu glätten.
Sie schnaubte. Es war ein damenhaftes Schnauben, aber dennoch ein Schnauben. »Ich glaube nicht, dass ich groß die Wahl hatte, Detective.«
»Nur was den Ort angeht, Madam.«
»Nun gut, unterhalten wir uns jetzt also. Stellen Sie mir Ihre Fragen.«
Er lehnte sich zurück und verschränkte den Fußknöchel hinter dem Knie, um eine entspanntere Haltung einzunehmen; seine Körpersprache vermittelte, dass er hier derjenige war, der das Sagen hatte, selbst wenn sie an ihrem Schreibtisch saß. »Warum erzählen Sie mir nicht einfach der Reihe nach, was Sie gestern Nachmittag gemacht haben?«
»Von wann bis wann?«, fragte sie.
»Sagen wir: ab fünfzehn Uhr.« Die Gerichtsmedizin hatte den Todeszeitpunkt von Carrie später festgesetzt, aber davon ließ er nichts verlauten.
Sie griff sich einen Terminkalender, der seitlich auf dem Schreibtisch lag, und klappte ihn auf. Dann nahm sie ihr BlackBerry aus der Tasche, ging die Anrufe durch und begann mit ihrer Aufzählung. Sie informierte ihn über jeden Termin, jedes Meeting, jedes Telefonat. Schließlich kam sie zu dem Telefonanruf, den sie von Jaclyn erhalten hatte, und der Zeitpunkt passte exakt zu der Zeitangabe auf Jaclyns Handy. Sie reichte ihm ihr BlackBerry, damit er sich selbst überzeugen konnte. Er notierte sich, wie erwartet, den Zeitpunkt, und gab ihr dann das Telefon zurück.
»Sie sind ja überaus gut organisiert«, meinte er.
Sie schniefte. »Ich bin Eventmanagerin. Organisieren ist mein tägliches Brot. Jede Einzelheit muss geplant und überwacht werden.«
»Ja dann. Was haben Sie gemacht, nachdem Sie mit Ihrer Tochter gesprochen hatten?«
»Ich bin ins Claire gefahren, habe Muffins für uns bestellt und habe an einem der Tische auf Jaclyn gewartet.«
»Haben Sie die Rechnung?«
»Nein. Haben Sie noch die Rechnung von Ihrem Mittagessen gestern? Aber ich habe mit der Kreditkarte bezahlt, der Betrag wurde also abgebucht, falls das wichtig werden sollte.«
»Was haben Sie anschließend getan?«
»Wir haben uns zusammengesetzt und uns unterhalten. Ich musste gestern Abend eine Hochzeit abwickeln, und ich hatte keine Zeit, nach Hause zu fahren, um mich noch auszuruhen.«
»Was hat Jaclyn Ihnen erzählt?«
»Sie hat mir gesagt, dass Carrie sie geschlagen hatte, falls Sie das wissen wollen«, antwortete Madelyn scharf. »Carrie war ein Luder. Ich bedauere den Tag, an dem ich ihren Auftrag entgegengenommen habe. Sie war mit
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