Feuer der Unschuld
ihr tatsächlich mit einer brutalen Ehrlichkeit begegnet.
„Zeit für dich, den Tatsachen ins Gesicht zu sehen, Ashley“, flüsterte sie.
Sie massierte sich die Schläfen, damit dieser elende Kopfschmerz endlich verschwand. Auch wenn dieser im Vergleich zu dem Schmerz, der ihr Herz umklammert hielt, lächerlich war.
Sollte sie Devon verlassen? Die Scheidung verlangen? Damit hätten sie vermutlich die kürzeste Ehe aller Zeiten geführt. Dass ihr Vater den Vertrag auflösen würde, war unwahrscheinlich, denn Devon hatte seinen Part ja erfüllt. Nicht Devon war unglücklich über das Ergebnis, sie, Ashley, war es.
Doch der Gedanke, sich von Devon scheiden zu lassen war genauso unangenehm wie die Vorstellung, in der nun künstlichen Atmosphäre dieser sogenannten Ehe weiterzuleben. Sie hatte ihn wirklich von Herzen geliebt. Und diese Liebe war etwas, was man nicht einfach so ausknipsen konnte. Sie war unglaublich verletzt und zornig. Und sie fühlte sich aufs Gemeinste betrogen. Doch sie liebte ihn noch immer und wünschte sich insgeheim, an dem Punkt weitermachen zu können, an dem die Wahrheit noch nicht ans Licht gekommen war.
Es stimmte, was man ihr nachsagte. Dass sie die Augen vor der Wirklichkeit verschloss, um in rosaroten Traumschlössern zu leben. Sie hätte alles dafür gegeben, wieder das unschuldige kleine Mädchen zu sein, das sich wünschte, mit ihrem Traumprinzen glücklich bis ans Ende ihrer Tage zu leben.
Für eine kleine Weile war Devon dieser Traumprinz gewesen. Sie hatte ihn so sehen wollen, und das war ganz allein ihre Schuld. Für ihre Blauäugigkeit konnte sie ihn nicht verantwortlich machen.
Nein, sie wollte keine Scheidung. Aber genauso wenig wollte sie mit einem Mann zusammenleben, der sie nicht liebte.
Sie dachte noch einmal daran, was er gestern zu ihr gesagt hatte. Es hatte sie erschüttert, doch vielleicht hatte er ja recht.
Vielleicht war sie tatsächlich zu impulsiv und unbedacht. Vielleicht sollte sie an ihrer Selbstbeherrschung arbeiten.
Da Devon ganz offensichtlich kein Interesse an der tierlieben, warmherzigen und fröhlichen Ashley Copeland hatte, gab es nur zwei Möglichkeiten: Entweder, sie reichte die Scheidung ein – oder sie wurde zu dem Menschen, den er lieben würde.
Ihre Familie hatte immer schon befürchtet, sie sei zu vertrauensselig. Und sie hatten recht behalten.
Es war an der Zeit, sich zu verändern.
Eigentlich war die Idee absurd, denn sie musste sich von ihrer Lebendigkeit, ihrem ganzen Wesen verabschieden. Es war ein trostloser Gedanke, und Ashley fragte sich, ob Devon die Anstrengung wirklich wert war.
Wäre ihr seine Liebe dieses Opfer wert, vorausgesetzt natürlich, sie könnte ihn überhaupt in sich verliebt machen?
Als sie ein Geräusch auf der Veranda hörte, setzte Ashley sich kerzengerade auf. Sie wusste, es war Devon, doch sie war noch nicht bereit, ihm gegenüberzutreten.
„Warst du die ganze Nacht hier draußen?“, fragte er ruhig.
Sie nickte stumm, während sie aufs Meer starrte.
Er ging zu dem massiven Steingeländer, schob die Hände in die Hosentaschen und blickte ebenfalls aufs Wasser.
Er sah genauso schlimm aus, wie sie sich fühlte. Allerdings hatte sie kein Mitleid mit ihm. Sein Haar war zerzaust, und er trug die Kleidung von gestern.
„Ash, hör auf, dich zu quälen. Es spricht nichts gegen eine zufriedene Ehe, ganz egal, welche Umstände uns dahin geführt haben.“
Er widerholte sich schon wieder. Sie biss sich auf die Lippe, um ihren Zorn zu unterdrücken. Denn in diesem Moment führte er zu gar nichts, und sie fühlte sich zu schwach, um Devon etwas entgegenzusetzen.
Sie hob eine Hand, um ihm Einhalt zu gebieten, und verfluchte sich insgeheim dafür, als sie sah, dass sie zitterte. Sie ließ den Arm sinken und erkannte plötzlich, dass sie immer noch das aufregende Seidennegligé trug, das sie extra für die Hochzeitsnacht ausgewählt hatte. Eine Nacht, die eigentlich die schönste ihres Lebens hätte werden sollen. Und die nun für immer ihr schlimmster Alptraum sein würde.
„Ich bin einverstanden“, sagte sie plötzlich.
Verwundert starrte er sie an. „Wirklich?“
Sie nickte nur, denn Worte wären ihr im Hals steckengeblieben. Sie brauchte einen Moment, bis sie in der Lage war, wieder zu sprechen.
„Du hattest recht. Ich hatte unrealistische Erwartungen, die einer Ehe nur im Weg stehen.“
Er zuckte kurz zusammen, sagte aber nichts.
„Also bin ich einverstanden, es zumindest eine bestimmte Zeit lang
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