Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns
miteinander verknüpft und jedes Mal, wenn wir sie wieder aufgreifen, werden sie stärker und besser verknüpft. Aber sie brauchen die geeigneten Auslösereize – Wörter, Gerüche, Bilder –, um als Erinnerung zurückzukommen.
Als meine Mama beobachtete, wie ich kämpfte, um mich daran zu erinnern, rötete sich ihr Gesicht und ihre Unterlippe begann zu zittern. Sie vergrub das Gesicht in ihren Händen; es war seit langer Zeit, selbst vor meiner Krankheit, das erste Mal, dass ich sie weinen sah.
»Es geht mir doch jetzt besser, Mama. Weine nicht.«
»Ich weiß, ich weiß. Ich bin albern«, sagte sie. »Oh Gott, und du warst völlig durchgedreht. Du bist in ein Restaurant gegangen und hast Essen verlangt . Einfach verlangt. Auch wenn ich vermute, dass das deiner normalen Persönlichkeit nicht so fernliegt.«
Wir lachten. Für einen kurzen Moment sah ich die Reihen der Tischnischen in dem Lokal vor mir und ganz verschwommen einen Mann hinter der Theke, der mir einen Kaffee reicht. Dieses wiedergefundene Bild verhöhnte mich mit dem Widerhall all der anderen Momente, die ich vergessen hatte und nie wiederfinden würde. Und dann war es fort.
Mehr als die Rückgewinnung einer Erinnerung war dieser Abend jedoch der Wendepunkt, als meine Mama endlich einräumte, wie groß ihre Angst gewesen war, und mir unter Tränen enthüllte, dass sie nicht immer sicher gewesen war, dass es mir wieder gut gehen würde. Und mit diesem einfachen, natürlichen Geständnis, nahm unser Verhältnis eine Hürde. Meine Mutter wurde wieder meine ultimative Vertraute, Gefährtin und Unterstützerin. Erst als sie akzeptieren und zugeben konnte, wie nah ich dem Tod gewesen war – etwas, was ihr zuvor unmöglich gewesen war, weil es zu ihrer Überlebensstrategie gehört hatte, das zu leugnen –, konnten wir gemeinsam unseren Weg weitergehen.
Kapitel 42
Unendlicher Spaß
V ier Monate nach meinem ersten Krankenhausaufenthalt lief der Mietvertrag für meine Wohnung in Hell’s Kitchen aus. Meine Arbeitsunfähigkeitsbezüge, die um die Hälfte gekürzt worden waren, nachdem die Arbeitsunfähigkeit von kurz- auf langfristig geändert worden war, reichten für die Miete nicht mehr aus, daher traf ich mich eines Morgens mit meinem Vater in der Wohnung, um mein altes Leben einzupacken und den Weg für ein neues, ungewisses Leben frei zu machen.
Das rote Backsteinmietshaus sah aus wie immer, mit dem defekten Türöffner, vereinzelten Graffitispuren und dem Schild »Unerlaubtes Betreten verboten« an der Tür. Stapel ungelesener Post verstopften meinen Briefkasten. Der Hausmeister, ein rundlicher Mann mittleren Alters mit spanischem Akzent, ging mit einem kurzen »Wie geht’s Ihnen?« an uns vorbei, als sei ich nie weg gewesen. Vielleicht hatte er es wirklich nicht bemerkt. Mein Vater und ich stiegen die Treppen hinauf, an der abblätternden, graugelben Tapete entlang. Alles war so vertraut, dass ich, als wir zu meiner Wohnungstür kamen, halb erwartete, Dusty würde dort auf mich warten, obgleich meine Freundin Ginger sie seit Monaten bei sich aufgenommen hatte.
Mein Vater und ich packten stapelweise CDs, Winterklamotten, Bücher, Töpfe und Pfannen und Bettwäsche zusammen. Nachdem wir etwa zur Hälfte fertig waren, gab die Klimaanlage ihren Geist auf, sodass als wir es in der glühenden Julihitze nicht mehr aushalten konnten. Daher kamen wir am nächsten Tag in der Bruthitze wieder, um die Arbeit abzuschließen.
In meinem Tagebuch gibt es nur eine Zeile zur Räumung meines Apartments, und diese ist ziemlich oberflächlich, wie das meiste meiner frühen Tagebucheinträge: »Er half mir, mein Apartment leer zu räumen (alleine wohnen ade).« In dieser kurzen Zeile gebe ich nichts von der Enttäuschung preis, die ich empfand, nicht nur offiziell mein eigenständiges Leben aufgeben zu müssen, sondern auch meine erste richtige Wohnung, die das Symbol für mein Erwachsensein gewesen war. Es war eine andere Sache, als ein paar Monate im Elternhaus zu wohnen und zu wissen, dass es eine Zugfahrt entfernt meine eigenen vier Wände gab. Nun war mein einziges Zuhause bei meiner Mama, das war wie eine vollständige Rückkehr in die Kindheit. Mein Leben in Freiheit in Manhattan war offiziell vorüber, vorerst zumindest.
Doch ich war wirklich nicht mehr in der Lage, alleine zu leben. Das war eine Tatsache, die ich zwar verstand, der ich jedoch noch nicht ins Gesicht sehen wollte. Stattdessen konzentrierte ich mich darauf, meine Zukunft in Ordnung zu
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