Feuer und Eis
sie hergeführt, diese Luxusvilla hätte eine wunderbare Zuflucht sein können.
„Das ist die Flitterwochen-Villa“, sagte Xante, was Karin das Herz nur noch schwerer werden ließ. „Es gibt sogar einen exklusiven Zugang zu einer abgeschiedenen Bucht. Komm mit, ich zeige sie dir.“
„Jetzt?“ Sie blinzelte verwirrt, aber Xante hatte sich schon in Bewegung gesetzt.
„Wir waren die ganze Nacht im Flugzeug eingepfercht. Es wird uns guttun, ein bisschen an der frischen Luft zu sein.“
Sie hatte keine Ahnung, woher er seine Energie nahm. Nachdem sie nun seit über vierundzwanzig Stunden auf den Beinen war, fühlte sie sich völlig erschlagen. Wohingegen Xante, der im Flugzeug auch nur ein kurzes Nickerchen gemacht hatte, aussah, als habe er gesunde acht Stunden Schlaf abbekommen.
Aber der Strand war wirklich wunderschön. Bis zum Sonnenaufgang war es noch über eine Stunde hin. Ein Stern nach dem anderen verschwand, als sei er von seinem Besitzer ausgeschaltet worden. Der nachtschwarze Himmel färbte sich allmählich dunkelblau. Karin schlüpfte aus ihren Schuhen, um den Sand unter ihren Füßen zu spüren. Frische Luft, die herrlich nach Salz und Meer schmeckte, füllte ihre Lungen. Xante machte sich nicht die Mühe, seine Hosenbeine hochzukrempeln, und schlenderte langsam am Ufer entlang. Karin tat es ihm gleich. Manche Welle reichte bis zur Mitte der Wade. Das Wasser war eiskalt, fühlte sich aber tatsächlich belebend und erfrischend an.
„Die meisten Touristen verlassen die Inseln gegen Ende des Sommers. Die Sonne scheint dann nicht mehr stark genug, um braun zu werden. Außerdem empfinden sie das Meer als zu kalt, um darin zu schwimmen. Aber meiner Meinung nach ist das die beste Jahreszeit.“
„Schwimmen kannst auch du jetzt nicht mehr.“ Allein die Füße von den Wellen überspülen zu lassen, reichte aus, um sie frösteln zu machen. Xante warf ihr einen seltsamen Blick zu.
„Ich schwimme jeden Morgen im Meer, wenn ich hier bin.“
„Oh.“
„Ich bin mit dem Meer aufgewachsen. Es war mein Spielplatz.“ Er lachte, als er ihre ungläubige Miene sah. „Man gewöhnt sich daran, wenn man erst mal drin ist.“
„Bestimmt liebst du es, hier zu sein.“
„Nein. Ich komme nur nach Griechenland, weil meine Mutter hier lebt.“
„Aber die Insel ist wunderschön.“
„Ich habe auch nie das Gegenteil behauptet.“ Er zuckte die Schultern. „Aber hier zu leben, hierher zu kommen … Die Insel, auf der meine Familie wohnt, ist noch kleiner, sie …“ Er hielt inne, als falle es ihm auf einmal sehr schwer, die richtigen Worte in einer Sprache zu finden, die nicht seine Muttersprache war. „Ich fühle mich beengt. Jeder kennt dich. Es ist, als würde ich …“
„Ersticken?“, schlug sie mit einem raschen Seitenblick vor. Immer noch fühlte sie sich in seiner Gegenwart ein wenig unbehaglich, aber das Gefühl ließ allmählich nach.
„Ja, genau. Schon als Kind war ich recht schlau.“ Wenn er das sagte, klang es überhaupt nicht überheblich oder anmaßend. „Meine Eltern wollten nicht, dass ich wie mein Vater Fischer werde. Sie setzten große Hoffnungen in ihren einzigen Sohn. Meine Noten in der Schule waren gut, deshalb wollten sie, dass ich Jura oder Medizin studiere. Danach sollte ich auf die Insel zurückkommen und …“ Er lachte leise auf. „Um ein guter Arzt zu sein, mangelte es mir an Geduld. Und was den Anwalt angeht … Ich kann mir nicht vorstellen, mein Leben mit den Streitereien anderer Leute zu verbringen. Wenn es auf der Insel mehr Verbrechen geben würde, wäre das vielleicht etwas anderes.“
Intuitiv verstand sie ihn. Er besaß eine überaus wache Intelligenz und verfügte über eine ruhelose Energie. Und so wunderschön es auf dieser Insel auch sein mochte, Karin war klar, dass er sich hier nicht entfalten konnte.
„Es gibt auch Feindseligkeit“, fuhr er fort. „Ich sage dir das jetzt, weil du morgen damit konfrontiert werden wirst.“
„Weil du gegangen bist?“, fragte sie nach, doch er gab keine Antwort. Eine unerwartete Welle reichte ihr bis zum Knie, beinahe hätte sie das Gleichgewicht verloren. Xante griff nach ihrer Hand, doch Karin entzog sie ihm sofort wieder.
„Ich wollte nur nicht, dass du hinfällst.“ Die gute Stimmung war dahin. Offensichtlich verärgert über ihre Nervosität, wandte er sich um. „Du wirst schon merken, wenn ich versuche, dich zu verführen.“
Zurück in der Villa spürte Karin dann auch deutlich, dass die Stunde der
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