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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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obwohl ich keineswegs den Wunsch zu fliehen verspürte. Ich hätte mich vom Blick der Wölfin stundenlang festhalten lassen können, doch nun zuckte sie mit den Ohren, als entließe sie mich, und beugte sich wieder über ihre Mahlzeit.
    Wir beobachteten die Wölfe noch ein paar Minuten. Schließlich berührte Jamie mich am Arm und bedeutete mir damit, daß es Zeit war zu gehen.
    Er ließ die Hand auf meinem Arm, um mich zu stützen, als wir zur Straße zurückliefen. Es war das erste Mal, seit er mich aus Fort
William gerettet hatte, daß ich ihm erlaubte, mich zu berühren. Wir waren immer noch fasziniert vom Anblick der Wölfe und sprachen daher nicht viel, aber wir fühlten uns allmählich wieder wohl miteinander.
    Während wir dahinschritten und ich über die Geschichten nachdachte, die mir Jamie erzählt hatte, konnte ich nicht anders, als ihn zu bewundern. Ohne ein direktes Wort der Erklärung oder Entschuldigung hatte er vermittelt, was er sagen wollte: Ich habe dir Gerechtigkeit widerfahren lassen; die Gerechtigkeit, die man mich gelehrt hat. Ich bin auch, soweit ich das vermochte, barmherzig gegen dich gewesen. Zwar konnte ich dir Schmerz und Demütigung nicht ersparen, aber ich mache dir, damit es für dich erträglicher wird, das Geschenk, dir von meinen Schmerzen und Demütigungen zu berichten.
    »Hat es dich sehr belastet?« fragte ich abrupt. »Geschlagen zu werden, meine ich. Oder bist du leicht darüber hinweggekommen?«
    Jamie drückte meine Hand, ehe er sie losließ.
    »Meistens habe ich’s vergessen, sobald es vorbei war. Bis auf das letzte Mal; das hat eine Weile gedauert.«
    »Warum?«
    »Nun, zum einen war ich sechzehn und erwachsen… dachte ich wenigstens. Zum andern hat es höllisch weh getan.«
    »Du brauchst mir nicht davon zu erzählen, wenn du nicht möchtest«, sagte ich, da er zögerte. »Ist es eine schlimme Geschichte?«
    »Nicht halb so schlimm wie die Schläge«, antwortete Jamie lachend. »Ich erzähle dir die Geschichte gern. Sie ist nur lang, das ist alles.«
    »Bis Bargrennan haben wir noch einen weiten Weg.«
    »Stimmt. Nun denn. Ich habe dir berichtet, daß ich ein Jahr auf Burg Leoch verbracht habe, als ich sechzehn war - du erinnerst dich? Colum und mein Vater hatten das vereinbart, damit ich mit dem Clan meiner Mutter vertraut wurde. Erst war ich zwei Jahre als Pflegekind bei Dougal; dann ging ich auf die Burg, um Latein zu lernen, auch gute Manieren und dergleichen.«
    »Aha. Ich habe mich schon gefragt, wie du nach Leoch gekommen bist.«
    »Jetzt weißt du’s. Ich war groß für mein Alter, schon damals ein guter Fechter und ein besserer Reiter als viele.«

    »Und so bescheiden«, sagte ich.
    »Nicht besonders. Verteufelt aufgeblasen und noch vorlauter als jetzt.«
    »Nicht auszuhalten«, sagte ich erheitert.
    »Mag sein, Sassenach. Ich entdeckte, daß ich Leute mit meinen Bemerkungen zum Lachen bringen konnte, und das tat ich immer öfter, ohne groß nachzudenken. Manchmal war ich grausam zu den anderen Jungen, ohne es wirklich zu wollen; ich konnte mich nur nicht zügeln, wenn mir etwas Schlaues einfiel.«
    Jamie blickte zum Himmel auf, um zu schätzen, wie spät es war.
    »Und eines Tages ging ich zu weit. Ich war mit ein paar Jungen unterwegs, als ich am anderen Ende des Flures Mistress FitzGibbons erblickte. Sie trug einen Korb, der fast so groß war wie sie und hin und her schwang, wenn sie sich bewegte. Du weißt, wie sie heute aussieht, und damals war sie nicht viel schmäler.« Jamie rieb sich verlegen die Nase.
    »Nun, ich machte ein paar Bemerkungen über ihr Äußeres, die spaßig, aber höchst ungalant waren und meine Freunde sehr erheiterten. Ich merkte nicht, daß Mrs. FitzGibbons sie auch hörte.«
    Ich erinnerte mich an die kolossale Dame von Burg Leoch. Zwar hatte ich sie nie anders als gutgelaunt erlebt, aber sie schien mir nicht die Art Mensch, die sich ungestraft beleidigen läßt.
    »Und was hat sie getan?«
    »Zunächst gar nichts. Ich ahnte nicht, daß sie mich gehört hatte, bis sie sich am nächsten Tag bei Colums Gericht erhob und ihm alles erzählte.«
    »Ach, du lieber Himmel.« Ich wußte, wie sehr Colum seine Mrs. FitzGibbons schätzte. »Was ist passiert?«
    »Dasselbe, was Laoghaire passiert ist - oder fast.« Jamie lachte leise.
    »Ich war sehr keck und stand auf und sagte, ich ziehe es vor, mit Fausthieben bestraft zu werden. Ich bemühte mich, gelassen und erwachsen zu wirken, obwohl mein Herz hämmerte wie wild und mir ein wenig

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