Feuer Und Stein
gefährlich es ist, hier in der Nacht allein herumzulaufen, Sassenach?« Er schien nicht ärgerlich zu sein, nur neugierig.
»Nein… Ja, doch. Es tut mir leid, wenn du dir Sorgen gemacht hast. Aber ich konnte das Kind einfach nicht da draußen lassen, verstehst du?«
»Aye, ich weiß.« Er umarmte mich kurz. »Du hast ein gutes Herz, Sassenach. Aber du hast keine Ahnung, worauf du dich hier draußen einläßt.«
»Feen, hm?« Ich war müde und verstört, überdeckte es aber, indem ich mich lässig gab. »So ein Aberglaube macht mir keine Angst.«
Plötzlich kam mir ein Gedanke. »Glaubst du an Feen und Wechselbälger und das ganze Zeug?«
Er zögerte einen Moment, bevor er antwortete.
»Nein. Nein, ich glaube nicht daran, aber auf dem Feenhügel würde ich trotzdem nicht übernachten wollen. Ich habe eine gute Erziehung genossen, Sassenach. Ich hatte in Dougals Haus einen deutschen Tutor, und zwar einen guten, der hat mich in Latein und Griechisch unterrichtet, und als ich mit achtzehn nach Frankreich ging, da habe ich Geschichte und Philosophie studiert, und ich merkte, daß es auf dieser Welt erheblich mehr gibt als Schluchten und Moore und Wasserpferde in den Lochs. Aber die Leute hier… Sie haben sich nie weiter als einen Tagesmarsch von ihrem Geburtsort entfernt. Sie leben in ihren Tälern, zwischen Lochs und Bergen, und wissen nicht mehr von der Welt, als was ihnen Vater Bain am Sonntag in der Kirche erzählt - das und die alten Geschichten.«
Er bog einen Erlenzweig zurück, und ich blieb darunter stehen. Jetzt, wo wir den Feenhügel hinter uns gelassen hatten, sprach er
wieder mit seiner normalen Stimme und hielt nur manchmal an, um Gestrüpp aus dem Weg zu räumen.
»Diese Geschichten sind, wenn Gwyllyn sie erzählt, nichts als Unterhaltung, der man bei Rheinwein lauscht. Aber hier und sogar im Dorf - da haben sie eine andere Bedeutung. Die Leute leben danach. Und wer weiß, vielleicht ist ja auch an manchem etwas Wahres dran.«
Ich dachte an die bernsteinfarbenen Augen des Wasserpferdes und fragte mich, welche Geschichten sonst noch wahr waren.
Seine Stimme wurde leiser, und ich mußte mich anstrengen, ihn zu verstehen. »Und was die Eltern von dem Kind angeht - vielleicht wird es ihnen ein wenig leichter, wenn sie glauben können, daß es ein Wechselbalg war, der starb, und ihr eigenes Kind gesund und glücklich bei den Feen lebt.«
Wir gelangten zu den Pferden, und schon nach einer halben Stunde leuchteten die Lichter von Burg Leoch durch die Dunkelheit und hießen uns willkommen. Ich hätte nie geglaubt, daß ich dieses kahle Gemäuer für ein Monument der Zivilisation halten würde, aber jetzt kamen mir die Lichter wie ein Leuchtfeuer der Aufklärung vor.
Erst als wir uns der Burg näherten, erkannte ich, daß die Helligkeit auf eine Reihe von Lampions zurückzuführen war, mit der die Brüstung der Brücke geschmückt war.
»Irgend etwas ist hier los«, sagte ich und drehte mich zu Jamie um. Da sah ich ihn zum ersten Mal im Licht und bemerkte, daß er nicht, wie üblich, sein abgetragenes Hemd und seinen alten Kilt trug. Sein schneeweißes Leinenhemd leuchtete im Licht der Laternen, und sein bester - sein einziger - Samtmantel lag über dem Sattel.
»Ja«, nickte er. »Deswegen habe ich dich geholt. Der Herzog ist endlich angekommen.«
Der Herzog war eine echte Überraschung. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, jedenfalls nicht den rotbackigen Sportsmann von rauher Herzlichkeit, den ich im Saal von Leoch vorfand. Er hatte ein angenehm derbes, wettergegerbtes Gesicht mit hellblauen Augen, die immer ein bißchen blinzelten, als würde er in die Sonne blicken, um den Flug eines Fasans zu verfolgen.
Ich fragte mich einen Augenblick, ob die Theaternummer über
den Herzog vielleicht übertrieben gewesen war. Als ich mich jedoch im Saal umsah, bemerkte ich, daß jeder Junge unter achtzehn einen etwas angespannten Gesichtsausdruck hatte und den Herzog nicht aus den Augen ließ, der sich angeregt mit Colum und Dougal unterhielt. Also doch nicht nur Theater; man hatte sie gewarnt.
Als ich dem Herzog vorgestellt wurde, fiel es mir schwer, ernst zu bleiben. Er war ein stattlicher Mann, massiv und gesund, der Typ, der in Wirtshäusern das Wort an sich reißt und Widerspruch mit Lautstärke und Wiederholung erstickt. Ich war durch Jamies Geschichte natürlich vorgewarnt. Als er sich aber über meine Hand beugte und sagte: »Wie entzückend, Mistress, in diesem entlegenen Winkel einer
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