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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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zu unterdrücken. »Oder vielleicht von deiner Großmutter?«
    »Von meinem Vater«, antwortete er kühl. »Du hast doch nicht erwartet, daß ich vor meiner Frau und meinen Pächtern nackt ins Wasser springe?«
    Würdevoll schritt er ans Wasser, holte tief Atem und sprang hinein. Das letzte, was ich sah, war das aufgeblähte Hinterteil seines Erbstückes. Der Müller beugte sich aus dem Fenster und rief Jamie Anweisungen zu, sobald er auftauchte, um nach Luft zu schnappen.
    Am Ufer des Teiches wucherten Wasserpflanzen, und ich grub Malvenwurzeln und kleinen, feinblättrigen Johanniswedel aus. Mein Korb war halbvoll, als ich ein höfliches Räuspern hörte.
    Hinter mir stand eine sehr alte Frau, jedenfalls sah sie so aus. Sie war auf einen Stock gestützt und trug Kleider, die ihr vor zwanzig Jahren gepaßt haben mochten, jetzt waren sie viel zu weit für die geschrumpfte Gestalt, die sie umhüllten.
    »Einen guten Morgen wünsch’ ich«, sagte sie und nickte heftig. Unter der weißen, gestärkten Haube schauten ein paar stahlgraue
Löckchen hervor und umrahmten die Wangen, die wie ein schrumpeliger Apfel aussahen.
    »Guten Morgen«, erwiderte ich und wollte mich erheben, aber sie kam noch näher und ließ sich mit überraschender Gelenkigkeit neben mir nieder. Ich hoffte nur, daß sie auch wieder würde aufstehen können.
    »Ich bin -«, begann ich, aber ich hatte noch kaum meinen Mund geöffnet, als sie mich unterbrach.
    »Sie sind die neue Herrin, ich weiß. Ich bin Mrs. MacNab - Grannie MacNab nennen sie mich, weil meine Schwiegertöchter auch lauter Mrs. MacNabs sind.« Sie streckte ihre dünne Hand aus, zog meinen Korb zu sich heran und schaute neugierig hinein.
    »Malvenwurzel - ah, das ist gut für Husten. Aber von dem lassen Sie besser die Finger, Mädel.« Sie zog eine kleine Knolle heraus. »Schaut aus wie Lilienwurzel, ist es aber nicht.«
    »Was ist es dann?«
    »Natternzunge. Wenn Sie das essen, werden Sie sich auf dem Boden rollen und nicht mehr wissen, wo oben und unten ist«, und die Knolle flog in hohem Bogen in den Teich. Sie stellte den Korb auf ihren Schoß und musterte jede Pflanze mit Kennerblick. Schließlich gab sie mir den Korb zurück.
    »Für eine Sassenach wissen Sie ganz gut Bescheid! Sie können immerhin Zehrkraut von Gänsefuß unterscheiden.« Sie warf einen Blick auf den Teich, wo Jamies Kopf kurz auftauchte, glatt wie ein Seehund, bevor er wieder unter der Mühle verschwand. »Ich sehe, daß Sie der Herr nicht nur wegem Ihrem Gesicht geheiratet hat.«
    »Danke«, sagte ich und entschied mich, die Bemerkung als Kompliment aufzufassen. Die Augen der Alten, scharf wie Nadeln, waren auf meinen Leib gerichtet.
    »Noch kein Kind unterwegs? Himbeerblätter, das ist es. Brühen Sie eine Handvoll zusammen mit Hagebutten auf und trinken Sie es, wenn der Mond zunimmt. Wenn er wieder abnimmt, dann nehmen Sie ein bißchen Berberitze, um den Leib zu spülen.«
    »Oh, äh -«
    »Ich möchte den Herrn um was bitten«, fuhr sie fort, »aber weil er im Moment beschäftigt ist, sag’ ich es Ihnen.«
    »Ist gut«, stimmte ich zu, denn eine andere Wahl blieb mir nicht.
    »Es geht um meinen Enkel«, sagte sie und fixierte mich mit ihren kleinen grauen Augen, die die Größe und den Glanz von Murmeln
hatten. »Meinen Enkel Rabbie; insgesamt hab’ ich sechzehn, und drei davon heißen Robert, aber der eine ist Bob, der andere Rob und der kleinste Rabbie.«
    »Herzlichen Glückwunsch«, sagte ich höflich.
    »Ich möchte, daß der Herr ihn als Stallburschen anstellt.«
    »Ich weiß nicht«, wollte ich einfügen, aber sie lehnte sich zu mir und sagte vertraulich: »Es ist wegen seinem Vater. Ich will ja nicht sagen, daß man nicht streng sein soll, schone den Stock und du verziehst das Kind, das habe ich oft genug gesagt, und der Herr weiß nur zu gut, daß man Buben den Hintern versohlen muß, sonst hätte er keine solchen Teufelsbraten aus ihnen gemacht. Aber wenn es dahin kommt, daß er das Kind in den Kamin stößt und es einen Bluterguß im Gesicht hat so groß wie meine Hand, nur weil es noch einen Haferkuchen genommen hat, dann -«
    »Rabbies Vater schlägt ihn, wollen Sie sagen?«
    Die alte Frau nickte.
    »Ja, hab’ ich das nicht gerade gesagt?« Sie hielt eine Hand hoch. »Ich würd’ mich ja nicht einmischen wollen, normalerweise. Ein Mann kann mit seinem Sohn machen, was er für richtig hält, aber… Rabbie ist ein Liebling von mir, und er kann ja nichts dafür, daß sein Vater säuft, auch

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